Fast vergessen: Zum 100. Geburtstag von Johannes Mario Simmel
Viele Jahrzehnte lang war Johannes Mario Simmel einer der erfolgreichsten Autoren im deutschsprachigen Raum. Seine Bücher wurden millionenfach verkauft. Am 7. April vor genau 100 Jahren wurde er geboren.
Sie kennen Johannes Mario Simmel alle noch, die Stöbernden in der Heymann-Buchhandlung am Eppendorfer Baum: "Ach Gott, das waren Groschenromane. Das hat meine Mutter gelesen", sagt ein Kunde. "Damals waren alle begeistert. Irgendwie ist das vorbei und aus der Zeit gefallen", meint eine andere Kundin.
Kaum noch Nachfrage nach Johannes Mario Simmel
Simmel war kein Groschenautor - da war durchaus Anspruch in seinen Büchern. Die Titel, besonders bekannt in der poppigen, runden Schrift: "Es muss nicht immer Kaviar sein" oder "Die Antwort kennt nur der Wind". 73 Millionen Bücher hat er verkauft - mehr als Günter Grass oder Siegfried Lenz. Nur nachgefragt wird Simmel heute nicht mehr, sagt Sönke Schneider von Heymann: "Ab und zu gibt es mal eine Nachfrage, aber die große Leserschaft hatte er in den 1970er- und 1980er-Jahren. Da war er immer erfolgreich mit seinen Romanen."
Johannes Mario Simmel wurde 1924 in Wien geboren. Der Vater ist Jude, Simmel muss im Krieg in der Chemiewirtschaft der Nazis arbeiten. Später wird er Journalist. Er war ein Vielschreiber mit sieben Pseudonymen, ein penibler Rechercheur. Er sagt es mal so: "Ich bin nach dem ersten Roman hineingeschmissen worden in diese Welt von Film, Zeitungen und Theater und bin nie mehr aufgetaucht."
Simmel schreibt sich in die Bücherregale
"Es muss nicht immer Kaviar sein" über einen Mann, der vom Nazi-, britischen- und französischen Geheimdienst gezwungen wird, als Triple-Agent zu arbeiten, ist ein Bestseller und basiert auf einer wahren Geschichte. So schreibt Simmel sich in die Regale im gesamten deutschsprachigen Raum. Er wird zwar reich, aber die Kritiker bewerten sein Werk meist als Schund.
"Er hat das Geld nicht verachtet und auch immer wieder ausgegeben, aber trotzdem hätte er es gerne gehabt, dass er als seriöser Schreiberling geschätzt wird", sagt Claudia Graf-Grossmann, die in dieser Woche eine neue Simmel-Biografie veröffentlicht hat. Dass er keinen Tiefgang hatte, verneint sie. Die Themen bei ihm: nicht nur Romanzen, sondern auch Fremdenhass, Umweltverschmutzung, moralische Fragen und politischer Zeitgeist. "Vor allem im Osten wurde er als Kritiker des realen Sozialismus auf den Index gestellt", erzählt Graf-Grossmann. "Er hat sich jeder Befindlichkeit in Westdeutschland angenommen. Insofern war er auch ein Chronist."
Aus der Zeit gefallen
18 seiner Bücher wurden verfilmt, er schrieb selbst auch Drehbücher. Mit Marlene Dietrich telefonierte er stundenlang, als sie sich nicht mehr aus ihrer Pariser Wohnung wagte. 2009 starb Simmel in der Schweiz. Da endet die beispiellose Erfolgsgeschichte. Heute kann man ihn durchaus als vergessen bezeichnen. "Man schreibt heute anders. Es ist einfach eine Zeit, die anders denkt und tickt, als damals in den 1960er- und 1970er-Jahren. Es kann sehr spannend sein, die Werke zu nehmen, und zu ergründen, was er versucht hat, uns zu erzählen", sagt erzählt Graf-Grossmann.
Wer wissen will, was die Bundesrepublik nach dem Krieg, bis weit nach der Wende bewegte, kann Johannes Mario Simmel lesen - romantische Nebenhandlung inklusive. "Mich wundert, dass ich so fröhlich bin", die Biografie über Johannes Mario Simmel, geschrieben von Claudia Graf-Grossmann, erscheint bei Droemer, hat 368 Seiten und kostet 28 Euro.