Drittgrößtes Buch der Welt: Der Rostocker Atlas
Völlig unhandlich und unpraktisch, aber doch das kostbarste Werk der Universitätsbibliothek: Der Rostocker Große Atlas wird in diesem Jahr 360 Jahre alt. Erstmals seit Langem ist er jetzt im Kulturhistorischen Museum Rostock wieder im Original zu sehen.
Mit einem Meter Breite und 1,67 Metern Höhe gilt der Riesenatlas als das drittgrößte historische Buch der Welt. Mecklenburgs Herzog Christian Ludwig, der sich nach dem französischen Sonnenkönig "Louis" nannte, hat ihn 1664 in Amsterdam fertigen lassen - im Verlag des berühmten niederländischen Kartografen und Kupferstechers Joan Blaeu.
Auf 32 aufwendig gestalteten Karten zeigt er die europäische Weltsicht jener Zeit. "Damals war er topaktuell", so Annika Borstelmann, die den Atlas in den Sondersammlungen der Rostocker Universität hütet. "Da ist zum Beispiel Amerika schon drauf - natürlich zu dem Zeitpunkt - aber vor allen Dingen die Küstenregionen. Das Innere, gerade das nordamerikanische Innere, fehlt noch mehr oder weniger vollständig." Heute sei das Werk eine bedeutende Quelle für Geografen, Geistes- und Kulturwissenschaftler.
Papier gewordene Machtdemonstration
Dass Christian Louis, "Herrscher von Gottes Gnaden", kein Taschenbuch, sondern einen solchen dicken Schinken in Auftrag gegeben hat, war sicher Ausdruck seines Naturells - eine Papier gewordene Machtdemonstration. Der Kurfürst in Berlin hatte sich auch einen solchen Atlas anfertigen lassen, gut denkbar, dass Louis ihm in nichts nachstehen wollte, meint Annika Borstelmann. Darüber hinaus sei die Kartensammlung für den Feldherrn und Strategen aber auch wirklich von Nutzen gewesen. "Er war sehr interessiert daran, wie die Welt funktioniert, wie man sich in ihr bewegen kann."
Ausstellung zeigt höfisches Leben im 17. Jahrhundert
Den Umzug des Buchs aus dem Hochsicherheitstrakt der Sondersammlungen ins wenige Hundert Meter entfernte Kulturhistorische Museum Rostock haben die Experten einige Monate lang vorbereitet. Sie haben eine Spezialfirma mit dem Transport beauftragt und unter anderem eigens eine Versicherung abgeschlossen. Jetzt liegt es aufgeschlagen in einer Vitrine. Rundherum hat Museumsleiter Steffen Stuth eine Ausstellung konzipiert, die das höfische Leben des 17. Jahrhunderts begreifbar macht. Immer im Mittelpunkt: Herzog Christian Louis, ein Herrscher mit einem gespaltenen Verhältnis zu seinem eigenen Land, der dieses aus der Ferne regierte. Und: Eine der schillerndsten Persönlichkeiten in Mecklenburgs Historie.