"Die Welt in meinen Augen": Ungesehene Bilder von Steve McCurry
Steve McCurry ist einer der bekanntesten Dokumentarfotografen weltweit. "Die Welt in meinen Augen" heißt sein neuer Bildband mit bisher unveröffentlichten Fotos aus seiner über 40-jährigen Karriere.
Ein riesiges Plüschschaf hat sie sich auf den Rücken gebunden: Wie ein Neugeborenes, huckepack eingewickelt in ein bunt gestreiftes Tuch. Im Hintergrund erkennt man einen verlassenen, improvisiert wirkenden Marktplatz. Der Boden ist aus Lehm, die Stände sind aus Holzbalken und Blechdächern. Alltag, Armut, Lebensfreude, Spiel und Ernst liegen in diesem Bild ganz nah beieinander. Es ist weniger die fast absurde Größe des Stofftieres, was beim Betrachten fesselt, sondern vor allem der intensive, direkte Blick des Mädchens aus Benin. Und genau solche Blicke einzufangen, ist McCurrys Talent.
Berührende Direktheit
Viele Fotos in diesem Band haben diese berührende Direktheit, schön aufbereitet in hochwertigem, in Verona gedrucktem DIN A3-Format: Der Inder mit blauem Schal und Leinenmütze auf dem Cover - bestechend intensiv ist der Blick seiner klaren Augen. Oder die junge tibetische Mutter, die zusammen mit ihrem Baby in die Kamera guckt, ohne zu posieren. Die beiden schauen neugierig und entspannt zugleich, während die Mutter ihr Kind in eine blaue Decke hüllt.
Beim Anblick der Schneeflocken, die auf sein Haupt und seine etwas zu große Jacke fallen, wird einem schon kalt. Doch der junge Mann, der auf dem kargen Boden sitzt, die Füße nur in Lumpen gewickelt, ist ganz eins mit der Natur. Wie man hinten im Band erfährt - neben den Miniaturabbildungen der Fotos - gehört er einer besonderen pakistanischen Minderheit an, den Kalash, die hoch oben in den Bergen des Hindukush leben.
McCurrys besonderer fotografischer Blick
Zu den Porträts reihen sich eine Menge beeindruckender Landschaftsfotografien und Fotos von Alltagsszenen: kubanische Musiker auf der Straße, eine Putzfrau auf der Bühne, auf der gerade drei Balletttänzerinnen ihre Muskeln aufwärmen, oder Momente hinter Klostermauern. Doch ob alltäglich oder exotisch - Steve McCurrys fotografischer Blick ist immer besonders, durch den Blickwinkel und sein Spiel mit den Farben im Bild.
Und manchmal lösen nur das Licht, eine Steinlandschaft und ein paar Staubwolken eine besondere Stimmung aus: Ein mexikanischer Cowboy mit seinem Hund im Schlepptau vor einem hoch aufragenden Viadukt reitet entlang einer Bahnlinie. Die drei werden ganz in Staub gehüllt und gleichzeitig in Sonnenlicht getaucht. Alles um sie herum wirkt dadurch grau und schwarz.
Steve McCurrys Fotos bilden eine natürliche Einheit
Einigen wenigen Fotos sieht man an, dass sie vor längerer Zeit entstanden sind: Man erkennt es an der Kleidung der schaukelnden Kinder in einem Innenhof, die McCurry 1990 in der gerade nicht mehr bestehenden DDR ablichtete. Drei Wochen lebte McCurry damals bei einer Familie in Flechtingen, um die Stimmung dieser Umbruchszeit einzufangen.
Obwohl die Fotos in unterschiedlichen Gegenden rund um den Globus entstanden sind, bilden sie eine natürliche Einheit. Durch den Schnappschuss, der sich mit der Komik der nächsten Szene verbindet. Ein intensiver Blick eines Porträts passt zu den traditionellen Ritualen, die McCurry fotografisch festgehalten hat, ohne ihnen ihre Ernsthaftigkeit zu nehmen: die Tanzriten Papua-Neuguineas ebenso wie das Holi-Fest in Indien, bei dem sich die Gläubigen mit farbigem Wasser und anschließend mit Puder bewerfen.
Wie sagt der Essayist Pico Iyer so treffend im Vorwort dieses Fotobandes: "Die Schönheit und der Reiz jeder Reise (…) besteht darin, dass man (…) aus dem Flugzeug steigt und viele Dinge sieht, die wunderbar fremdartig sind, und viele, die herzerwärmend vertraut wirken."
Die Welt in meinen Augen
- Seitenzahl:
- 200 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- 27.5 x 38.0 cm, gebunden, 208 Seiten mit 102 farbigen Abbildungen, Übersetzt von Ingrid Hacker-Klier
- Verlag:
- Knesebeck
- Bestellnummer:
- 978-3-95728-448-8
- Preis:
- 60,00 €