Bild aus dem Buch: "Taxi Drivers. Written In Their Faces" © Klaus Einwanger Foto: Klaus Einwanger

Bildschöne Bücher: "Taxi Drivers. Written In Their Faces"

Stand: 04.06.2023 06:00 Uhr

Der Fotograf Klaus Maria Einwanger hat Taxifahrer bei der Ausübung ihrer Jobs porträtiert. Große Sorge und Stolz, Müdigkeit und Hilfsbereitschaft - all das steht in ihren Gesichtern geschrieben.

von Guido Pauling

New York City, West 14th / Ecke Washington. Brownstone-Häuser säumen die Kopfsteinpflaster-Straße. Ich muss weiter, quer durch die Stadt; ein Taxi wäre jetzt gut - ah, da kommt ja schon eins. Und der Fahrer? Mmh, hat mich schon gesehen - er fängt meinen Blick auf, noch bevor ich die Hand gehoben habe. Cool!

So oder so ähnlich wird sie sich abgespielt haben, die Szene gleich im ersten Bild. Der Blickkontakt durch die Frontscheibe ist bemerkenswert: Fahrer und Kunde sehen sich; besser: Fahrer und Fotograf sehen sich! Denn Klaus Maria Einwanger porträtiert nicht nur meisterlich Straßenzüge mit Taxis, und das in New York, London, Tokio - nein, er schaut die Fahrer genau an. Und sie schauen zurück zu ihm.

Fahrdienst Uber macht den Taxifahrern das Leben schwer

Ilya Grach zum Beispiel, den man in New York wohl nur Ilya nennt. Graue Stoppeln im runden Gesicht, eine Nase wie ein Boxer, dazu schwammige Tränensäcke um kleine Walross-Äuglein und tiefe Falten in den Augenwinkeln - doch das könnten sogar Lachfältchen sein. Seine blau-wollene Matrosenmütze lässt das ganze Gesicht pfannkuchenrund wirken. Doch ob Ilya immer genug Pfannkuchen hat für sich und seine Familie? Fraglich. Er blickt zwar schelmisch und sieht doch abgekämpft aus.

Bei den Fahrern traf ich auf eine bedrückte Stimmung. Sie warteten stundenlang auf ihre nächste Tour und wirkten erschöpft, leer und resigniert. Offenbar gab es für sie keinerlei Perspektive - und gleichzeitig keinen Ausweg, als jeden Tag einfach weiterzumachen. Alles andere wäre schlimmer gewesen. Leseprobe

So beschreibt Einwanger seine Eindrücke, nachdem er in New York angefangen hatte, Taxifahrer an ihrem Wartestand am Flughafen JFK aufzusuchen, zu porträtieren und mit ihnen über ihre Lebensumstände zu reden.

Uber macht ihnen das Leben schwer. Der Online-Fahrdienst tritt in scharfe Konkurrenz zu klassischen Taxifahrern, gerierte sich lange lediglich als Vermittler und agierte doch in Wahrheit als Taxiunternehmen. Die vielen Schlachten von Uber vor Gerichten sind in der Zeit, in der diese Aufnahmen entstanden, noch nicht geschlagen. Der hemmungslose Ausbreitungs- und Ausbeutungstrieb ist noch nicht juristisch eingedämmt. Und so machen die regulären New Yorker Taxifahrer eine sehr ernste und betrübte Miene: Bhagwant Singh, der Sikh mit Turban und weißem Rauschebart in einem ausgebeulten hellbraunen Zucker-und-Zimt-Sakko, oder Muhammad Awan, ein Muslim in Jeans und wetterfester Windbreaker-Jacke. Latif, Golam, Ahmad - lauter graue, müde Gesichter vor zahllosen blank gewaschenen gelben Taxis.

"Londoner Taxifahrer zählen zu den besten Navigatoren der Welt"

Ganz anders die Stimmung in London: Die hier porträtierten Fahrer sehen kämpferisch aus, selbstbewusst, ungebeugt. Sie protestieren mit Schleich-Kolonnen, verstopfen so die Straßen mit ihren schwarzen Limousinen und machen deutlich, dass sie von der Regierung bitteschön fair behandelt werden möchten. Ihre grün-goldene Plakette mit der Aufschrift "London Cab Driver" tragen die Männer Aydin, Danny, John und Frank - und nur eine einzige Frau, Leanne - mit Stolz an einem Halsband: Schließlich haben sie dafür drei, vier Jahre lang den Stadtplan der Metropole studiert! "Londoner Taxifahrer zählen zu den besten Navigatoren der Welt. Sie müssen 25.000 Straßen auswendig kennen und wissen, wie sie von einer zur anderen kommen", staunt der Neurowissenschaftler John O'Keefe.

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Fühlen diese "Zinnsoldaten" wirklich Stolz?

Da haben es Taxifahrer in Tokio etwas leichter: ein tadelloser Führerschein und einen Bogen mit 40 Fragen korrekt beantwortet - für den Rest gibt's GPS!

"Hier hat kaum eine Straße einen Namen. Das Adressensystem der Stadt basiert auf einem komplizierten Zahlenkonzept, das auch nicht eben dadurch einfacher wird, dass die meisten Straßen in Tokio im Zickzack verlaufen." Leseprobe

Schwarzer Anzug, weiße Handschuhe, dazu aufrechte Haltung, beste Manieren und immer ein sanftes Lächeln: Das gilt für den feinen Yasuhiro, den Manga-verrückten Yusuke, aber auch für die zarten Damen Kyoko und Miki. Hingebungsvolle Service-Bereitschaft gehört hier zum Standard, Tokios Taxifahrer erinnern fast schon an Butler.

Und so wecken die Porträts dieser Zinnsoldaten neben ihren Blechkutschen die Frage: Fühlen sie wirklich Stolz im Moment der Aufnahme, oder erfüllen sie auch hier bloß den Kundenwunsch des Fotografen-Fahrgasts, der sie um ein Bild gebeten hat?

Taxi Drivers. Written In Their Faces

von Klaus Maria Einwanger
Seitenzahl:
232 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
KME Studios
Bestellnummer:
978-3-00-073803-6
Preis:
72 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 04.06.2023 | 16:20 Uhr

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