Bildschöne Bücher: "Paris Magnétique. 1905 - 1940"
Der Bildband "Paris Magnétique. 1905-1940" widmet sich den jüdischen Künstler*innen im Pariser Exil. Der Katalog fängt die Stimmung, die Freude und das Gemeinschaftsgefühl der Künstler wunderbar ein.
Vor über 100 Jahren entwickelte sich Paris zum Sehnsuchtsort für Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt. Viele reisten mit kleinem Gepäck und ohne Rückfahrschein in die Seine-Metropole. Sie wollten den Repressalien in ihren Heimatländern entkommen. Treffpunkt für die meist jüdischen Kunstschaffenden war das Café du Dôme im Montparnasse. Dem Geist dieser Zeit, den Schicksalen und der künstlerischen Ausdruckskraft der in Paris entstandenen Werke, spürt jetzt das jüdische Museum Berlin nach, mit der Ausstellung "Paris Magnétique", zu der auch ein Katalog herausgegeben wurde.
Paris: Die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks
Walter Bondy, Marianne Breslauer, Marc Chagall, André Kertész, Michel Kikoïne, Moïse Kisling, Amedeo Modigliani, Chana Orloff, Jules Pascin, Issachar Ryback, Marcel Slodki, Chaïm Soutine, Léon Weissberg, Ossip Zadkine, Eugène Zak - sie alle und etliche mehr gingen ein und aus im Café du Dôme im Stadtteil Montparnasse. Sie alle und etliche mehr hatten ihre Heimat hinter sich gelassen, denn in Paris lockte ein kosmopolitischer Geist, lockte die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks.
"Im Oktober 1909 also berührten meine Füße diesen Boden, diese Bürgersteige von Paris, die so voller Geheimnisse waren für mich, der kein einziges Wort Französisch konnte und auch nichts von dieser Stadt wusste, die das so famos rätselhafte Ganze in ihren Eingeweiden versteckte...", schreibt der Maler und Bildhauer Ossip Zadkine in seinen Lebenserinnerungen.
Die Künstlerinnen und Künstler stammen aus Bulgarien, Polen, Ungarn, Italien, Deutschland und dem zaristischen Russland. Wie Ossip Zadkine und seine Landsfrau Chana Orloff. Die 1888 geborene Bildhauerin kommt 1910 nach Paris und wird durch ihre Freundschaft zum Maler Amedeo Modigliani ein Teil der immer größer werdenden Gruppe Kunstschaffender, die sich in Montparnasse trifft.
Werke von Chana Orloff und Marc Chagall
Man möchte sie anfassen, diese Stein oder Holz gewordenen Gesichter. Ganz glatt sind Chana Orloffs Skulpturen, als hätten Hände im Laufe von Jahrhunderten die Oberfläche poliert. Mit gelassenen Minen blicken die Büsten in sich hinein. Zu Beginn der 1920er-Jahre wird die Bildhauerin zur Porträtistin der Pariser Elite. Der Schriftsteller Jean Cassou schreibt über sie: "Chana Orloff ist menschlich. Nichts, was an einem Lebewesen, ob Mensch oder Tier, menschlich ist, (…) ist ihr fremd."
Im Rundbau La Ruche, dem Bienenkorb, wird auf engstem Raum gearbeitet, gelebt und geliebt. Marc Chagall erinnert sich: "Während in den russischen Ateliers ein gekränktes Modell schluchzte, bei den Italienern Lieder und Gitarrenklänge ertönten, bei den Juden Diskussionen, war ich ganz allein in meinem Atelier vor meiner Petroleumlampe."
Dieses merkwürdige Atelier, das wie ein Tortenstück geschnitten ist, malt Chagall 1911. Die Wände sind grün, der Boden ist grün und blau. Unter einem der gelbgoldenen Sessel im Zentrum tut sich ein eisblauer See auf, der mit bunten Teppichen in Schach gehalten wird. Die Formen des Raums entgleiten in eine unbestimmte Architektur. Auf der Staffelei ein Bild in Grüntönen, auf dem Tisch das beschriebene Petroleumlämpchen. Ganz links oben vielleicht ein Fenster.
Informativer, schön gestalteter Katalog
Die Berliner Ausstellung ist eine Übernahme der Schau "Chagall, Modigliani, Soutine… Paris pour école,1905–1940" des Musée d’art et d’histoire du Judaïsme in Paris. Der hervorragend aus dem Französischen übersetzte und so informativ wie schön gestaltete Katalog fängt die Stimmung, die Freude und das Gemeinschaftsgefühl der Künstler ganz wunderbar ein.
"Wir setzen uns über alle Grenzen hinweg, was kümmert uns, ob ein Kamerad Jude, Russe, Chinese oder Franzose ist? Die Originalität von Montparnasse ist ja gerade, dass es alle Künstler der Welt anzieht in die große französische Gemeinschaft", schreiben Géo Charles und Auguste Clergé 1921. Man wünschte, man wäre dort gewesen.
Paris Magnétique. 1905 - 1940
- Seitenzahl:
- 280 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Wienand
- Bestellnummer:
- 978-3-86832-734-2
- Preis:
- 28 €