Bildschöne Bücher: "Nineties Spirit. Music caught on Camera"
"Nineties Spirit. Music caught on Camera" von Paul Bergen zeigt, wie kraftvoll und nachhaltig dieses Musik-Jahrzehnt war. Ein Fotoband, der nahezu ohne Text auskommt - aber den braucht’s auch gar nicht.
Take That, Spice Girls, Prince, Michael Jackson - die Neunziger waren das Jahrzehnt der Boy- und Girlbands und Geburtsstunde der Megastars im Show-Biz. Doch außer hochproduziertem Party-Pop feierten noch andere Sounds ihre Hohezeit: HipHop und - als fast unerwartete Auferstehung nach einem Jahrzehnt der Synthie-Sounds - der röhrende Klang verzerrter E-Gitarren.
Alle Regler auf volle Pulle!
Eddie Vedder turnt über die Monitorboxen der Pearl Jam-Bühne und nimmt Anlauf für seinen nächsten Sprung vom Bühnenrand ins Publikum. Lenny Kravitz lässt seine Dreadlocks fliegen, während er auf seine Les Paul eindrischt, Thom Yorke im schwarz-weiß gestreiften Hemd kaut fast am Mikrofon, während er mutmaßlich Radioheads "Creep" hineinquetscht und die Red Hot Chili Peppers schwitzen sich nackt durch ihre Show, bekleidet nur mit weißen Tennissocken über ihren - na, Sie wissen schon.
Allen gemeinsam ist ein Sound, der im Prinzip so funktioniert: Röhren-Amp an und alle Regler auf volle Pulle!
Natürlich darf bei diesem verzerrten Spektakel eine Band nicht fehlen, aber dazu später mehr, denn die 90er waren, so erinnere ich mich beim Durchblättern dieser meisterhaften Foto-Sammlung, weit mehr: Funk und Soul waren quasi die Antipoden zum Rock und Grunge der 90er, und wer anders als der Groovemaster schlechthin sollte dafür stehen als Maceo Parker. Es wirkt wie eine Verneigung Paul Bergens, dass er diesem begnadeten Saxofonisten eins der wenigen doppelseitiges Porträts exakt in der Mitte des Bildbandes reserviert hat. Den Kopf mit dem schmalen Oberlippenbärtchen im Profil schaut Parker nach oben, das Mundstück seines Saxofons zeigt wie ein Pfeil vom Kinn weg, als ziele es auf die nächste funkige Synkope.
Ausdrucksstarke Kunstwerke
Nina Simone, Miles Davis, David Bowie, Tina Turner, U2, die Stones, Stevie Wonder - alle, wirklich alle sind sie vereint in diesem Bildband. Da reihen sich längst vergessene, verblichene, viel zu früh verstorbene und einfach nicht tot zu kriegende Superstars Bild an Bild. Paul Bergen zeigt sie dabei in mehr als einfachen Musiker-Porträts - das sind ausdrucksstarke Kunstwerke.
Eines seiner Stilmittel: Er wählt entweder den Blickwinkel so, dass es nahezu keinen ablenkenden Hintergrund gibt, oder er erzeugt diesen Effekt in der Nachbearbeitung. Das stärkt den Fokus auf Gesichter, Ausdruck und Wesen der Musikerinnen und Musiker. Fast wie ein Holzschnitt wirkt deshalb das Foto von Rock 'n' Roll Übervater Chuck Berry, der schweißüberströmt einen Becher Wasser zum Mund führt, während er auf seinem Fender-Verstärker sitzt - und damit wären wir wieder beim bis heute nachhallenden, krachenden Röhrensound der 90er-Jahre.
Kurt Cobain und Dave Grohl zieren Cover und Rückseite
Natürlich darf die Band nicht fehlen, die bis heute zu den einflussreichsten dieser Ära zählt. Und so sehen wir Nirvana gleich mehrfach in Grunge-Action. Es wirkt wie ein in die Zukunft weisendes Resümee, dass ein Foto der wichtigsten Köpfe der Band Cover und Rückseite dieses Fotobandes bilden: Vorne - als Blick in die Vergangenheit - Kurt Cobain mit Gitarre und seiner verschwitzt zauseligen blonden Mähne am Mikro. Auf der Rückseite: Dave Grohl. Und der dreht mit seinen Foo Fighters ja bis heute alle Regler auf volle Pulle.
Nineties Spirit. Music caught on Camera
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- teNeues
- Bestellnummer:
- 978-3-96171-412-4
- Preis:
- 60 €