Bildschöne Bücher: "Daniel Richter. Bilder von früh bis heute"
Gut sechs Monate nach seinem 60. Geburtstag ist ein umfassender Bildband über einen der bekanntesten deutschen Maler der Gegenwart erschienen: "Daniel Richter - Bilder von früh bis heute".
Plattencover gestalten - damit hatte sich Daniel Richter zunächst einen Namen gemacht. Anfang der 1990er-Jahre begann er mit dem Studium der Malerei in Hamburg. "Und weil ich schon so alt war und schon einen gewissen Existenzdruck verspürte, habe ich mich damals wahnsinnig reingehängt", erzählt Richter. "Ich habe das immer so abgeleugnet, mit Nase bohren und auf dem linken Fuß gemacht, aber in Wirklichkeit habe ich mich darüber definiert, dass ich unbedingt ein Bild malen wollte. Dass das für mich Bedeutung hat - und wenn ich Glück habe, auch für irgendjemand anders."
Daniel Richter: Vielfältig und aufregend
Wer mit Daniel Richter zu tun hat, sei es in einem Interview, im Dokumentarfilm oder beim Blättern in einem umfangreichen Buch, bekommt die ganze Palette: einerseits charmant-kluge Aussagen, verstiegen-theoretische Wortgebilde, und andererseits mitunter schmerzhaft genaue Reflexionen über die eigene Arbeit.
Eines ist Daniel Richter sicherlich nicht: unterkomplex und langweilig. Aber kann das in einem Buch tatsächlich zum Vorschein kommen? Vielleicht in seinen Zitaten:
"Die Gegend, in der man aufwächst, die Art zu denken, zu brüten und zu argumentieren, führt jeweils zu einer anderen Sprache."
"In England macht man Musik und kauft sich was Cooles zum Anziehen."
"In Deutschland ist man Wirrkopf und malt."
Verstörende Szenen in aufgeladener Farbigkeit
Als Daniel Richters abstrakte Phase zu Beginn der 2000er-Jahre in figurative Malerei übergeht, malt er beinahe kenternde Flüchtlingsboote, Punks und verstörende Szenen von Kämpfen und Gewalt. Alles in aufgeladener, fast elektrisch wirkender Farbigkeit. Beinahe in Form gezwungen wirkt "Ferbenlaare" (Farbenlehre) aus dem Jahr 2005, 2,18 Meter hoch und 1,68 Meter breit, ein typisch wuchtiges Format. Richter zitiert hier mit einer am unteren Bildrand liegenden Figur Hans Holbeins Gemälde "Der tote Christus im Grabe". Doch wo Holbein sich auf den liegenden, toten Körper beschränkt, entfaltet Daniel Richter in einer Art mosaikhaftem Höhenrausch eine Vertikale aus hunderten bunten Kästchen, die dem Bild trotz des ernsten Motivs eine seltsame Heiterkeit verleihen.
"Nachdem ich das zwei oder drei Jahre gemacht hatte, stand ich in meinem Atelier und habe versucht, das so systematisch durchzudenken, wie ich auch über anderer Leute Werke denke. Und dann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich eine schwache, ängstliche Person in mir habe."
Umfänglichste Werkschau von Daniel Richter
Der Band liefert die bislang umfänglichste Werkschau zwischen zwei Buchdeckeln von Daniel Richters Arbeiten und versucht auch seine Sicht auf die unterschiedlichen künstlerischen Kapitel in seinem Leben abzubilden.
Vom Abstrakten folgt man Daniel Richters Weg hin zur Figur, begrüßt neue Farben, größere Flächen und kleinteilige Linien, bis zu den heutigen Bildern. Hier werden auf aus Querbalken und sanften Farbverläufen gestalteten Hintergründen die Farben flächig mit dem Spachtel aufgetragen - und später durch Linien mit Ölkreiden verstärkt oder in Form gebracht. Die Farbigkeit dieser seit circa zehn Jahren entstehenden Arbeiten reicht von bunt und grell bis leicht und pastell.
Die Freude, Neues zu wagen
Daniel Richter ist jetzt 60 Jahre alt. Etabliert ist er längst. Seine Bilder verkaufen sich exzellent und doch - ums große Geld ging es ihm nie: "Es ist eine Entscheidung für eine Form von Leben und eine Form von Denken und Empfinden, die nicht zwangsläufig mit Geld zu tun hat."
Was sich durch seine Arbeiten zieht, ist die Freude an der Malerei, die Freude daran, Neues zu wagen, die Freude an der Auseinandersetzung mit Konzept und Farbe auf der Leinwand. Bleibt zu hoffen, dass Daniel Richter sich künstlerisch bald wieder auf unbekanntes Terrain wagen wird - und uns alle überrascht.
Daniel Richter. Bilder von früh bis heute
- Seitenzahl:
- 464 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Hatje Cantz
- Bestellnummer:
- 978-3-7757-5088-2
- Preis:
- 74 €