Stand: 02.08.2019 16:00 Uhr

Einblicke in die Arbeitsweise William Turners

von Martina Kothe

Wenn man an berühmte Maler denkt, dann sieht man vor dem geistigen Auge häufig ihre so genannten "Meisterwerke". Vollendete, in vielen Arbeitsstunden geschaffene Gemälde. Doch wie hat der Dichter Hesiod so richtig formuliert: "Vor die Tugend haben die unsterblichen Götter den Schweiß gesetzt." Der Schweiß - das sind hier Vorskizzen, Entwürfe, entgleiste Linien, unvollendete Formen, auf Papier gebannte Ideen.

Nicht alle Künstler der Vergangenheit haben mit Skizzenbüchern gearbeitet. Diejenigen aber, die das getan haben, hinterlassen der Nachwelt einen wunderbaren Schatz. Einen Schatz, der Einblicke in die Arbeitsweise und die Ideenfindung gibt. Einen solchen Schatz hat jetzt der Hirmer-Verlag gehoben: das "Luzerner Skizzenbuch" des britischen Malers William Turner.

Schweizer Bergmassiv in Gewitterstimmung

Hellgrau, ein Hauch Rosa, Blau. Dunkelgrau, verwaschenes Lila, Gelb, Grün. Rot, Orange, Blau, Grau: die Rigi. Die Rigi - das ist der Name eines Schweizer Bergmassivs, an dessen Fuß Küssnacht liegt. Wieder und wieder hat William Turner diesen Teil der Schweiz besucht, wieder und wieder den Blick von Luzern aus über den Vierwaldstätter See auf die Rigi in leichten Tuschfarben aufs Papier getupft.

Ausstellungstipp:
"Turner. Das Meer und die Alpen"

- Die fertigen Gemälde zum Skizzenbuch

Noch bis 13. Oktober
im Kunstmuseum Luzern

Nebelschwaden und verwaschenes Orange

Licht: klar, hell. Licht: gebrochen, durch den Nebel kriechend, eine rötlich-orangefarbene Wolke hängt über dem blauen Berg. Dahinter graue Schatten, im Vordergrund leicht angedeutet der See - in Gelb und Hellgrau. Die Pfosten eines Steges ragen dunkel aus dem Wasser. Alles verwaschen, leicht, schnell getuscht um den Moment der Farbe und des Lichts zu bannen. "Die Rigi, roter Himmel" hat William Turner das Aquarell betitelt. Es ist eine von vielen, ja beinahe zahllosen Ansichten des Bergmassivs. Der Maler und sein Berg. Paul Cézanne malte den Sainte Victoire, Turner die Rigi. 1802 besuchte der britische Maler Luzern zum ersten Mal.

"Seine Reisen nach Wales und Schottland hatten sein Interesse an Gebirgslandschaften geweckt und so war es sein Hauptziel die Alpen zu sehen. Am Ende einer mehrwöchigen Wanderung erreichte er den Vierwaldstättersee und die Stadt Luzern mit Blick auf die Rigi und den Pilatus", schreibt David Blayney Brown. Der britische Turner-Spezialist hat das Buch herausgegeben.

Ein schmaler, in nachtblaues Leinen gebundener Band, der zugleich ein Wagnis und eine Entdeckung ist. Brown beschränkt sich in seinem Begleittext auf eine historische Einordnung der Skizzen, ein Panorama der Zeit, in der sie entstanden sind. Im Bildteil ist das komplette Skizzenbuch - ohne Kommentar abgedruckt.

Eine Lehre in Reduktion

Meist hat Turner nur die linke Seite benutzt. Die andere Seite zeugt fleckig von der schnellen Arbeit, den noch nicht getrockneten Farben. Leichte, ja wie verwaschen wirkende Landschaften tauchen aus dem Grau auf. Jede neue Seite ist eine Lehre in Reduktion. Wie wenig es braucht, um eine Landschaft zu erfassen!

Rechts unten ein Hauch Rot. Darüber gemalt und mit dem Pinselstiel geritzt: ein angedeuteter Steg, ein dunkelgrauer Fleck links - ein Boot auf dem See - darüber der nur zu erahnende Übergang von Wasser und Himmel. Joseph Mallord William Turner, der große Maler, der bekannte Meister des Lichts. In diesem kleinen Büchlein, beim Betrachten seiner Luzerner Skizzen, ist man dem Künstler ganz nah. Eine bewegende Erfahrung!

J. M. W. Turner Luzerner Skizzenbuch

Seitenzahl:
64 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
Mit einer Einführung von David Blaney Brown 64 Seiten, 31 Abbildungen in Farbe, 26 x 18 cm, gebunden
Verlag:
Hirmer Verlag
Preis:
22,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 04.08.2019 | 16:20 Uhr

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