Cover: Peter Bellerby Der Globenmacher © Knesebeck Verlag

Bildband "Der Globenmacher": Geschichte eines alten Handwerks

Stand: 02.03.2025 06:00 Uhr

Die Herstellung von Globen war lange Zeit ein Kunsthandwerk, doch der Fortschritt hat daraus ein Billig-Produkt gemacht. Ein neuer Bildband erzählt die Geschichte eines modernen Globen-Machers und führt durch seine Londoner Werkstatt.

von Andrea Schwyzer

Die Geschichte beginnt kurios: Da ist dieser herausfordernde Vater, sehr schwer zufriedenzustellen. Und nun wird er 80 Jahre alt. Was kann ich ihm bloß schenken, fragt sich sein Sohn Peter Bellerby, und entscheidet sich schließlich für einen Globus. Der soll dann aber bitte besonders sein. Keine "bunte Weltkugel in Klassenzimmerqualität", billig produziert und ästhetisch wenig ansprechend. Nur: So einen besonderen Globus zu finden, ist fast unmöglich oder aber sehr teuer. Also beschließt der ohnehin gerade arbeitslose Peter, selbst einen Globus für Papa zu basteln.

Werkstatt für faszinierende Kunstwerke

In kräftigem Lila setzt sich die kleinteilige Küste Finnlands vom blass-grauen Meer ab. Grönland und China leuchten in feurigem Korallenrot. Ein gemütlich dahintuckerndes Dampfschiff fährt gefährlich nah am Bermudadreieck vorbei. Ein grünes Seeungeheuer schlängelt sich um einen Zweimaster: Am Ende seines langen, sich windenden Schwanzes nehmen Fische Reißaus.

Die Globen, die Peter Bellerby heute mit seinem Team aus Künstlerinnen, Kartografen und Schreinerinnen fertigt, sind faszinierende Kunstwerke, die Geschichten erzählen. Sie entstehen in einer lichtdurchfluteten Werkstatt mit hohen Fenstern, saftig-grün-wuchernden Zimmerpflanzen, ausgelatschten Perserteppichen und Holzregalen, die bis unter die Decke reichen. Meist junge, sorgsam arbeitende Menschen beugen sich über die riesigen Bälle - vermessen, kolorieren, montieren. Sie arbeiten mit großen, historisch anmutenden Zirkeln und bauchig-geschwungenen Pinseln. In den abgeranzten Farbkästen verbindet sich goldgelbes Ocker mit Mint-Grün und blaudurchtränktem Schwarz.

Ursprünglich wollte Peter diese Farben selbst herstellen "so, wie es die frühen Meister getan hatten". Er kaufte verschiedene Pigmente, Ochsengalle, Honig, Gummi arabicum und einen Glasstößel. "Ich kam mir vor wie ein Kunsthandwerker aus dem 18. Jahrhundert", so Bellerby. Doch er scheiterte und entschied sich für fertig angemischte Farben. Peter Bellerby verkaufte sogar sein Auto, sein Haus - nur um weitermachen zu können.

Viele Hindernisse zu überwinden

Im Buch beschreibt er, welche Probleme zu überwinden waren, die er - etwas gar blauäugig - nicht vorausgesehen hatte: Wie klebe ich ein zweidimensionales Stück Papier ohne Falten auf eine runde Oberfläche? Wie bringe ich den Globus zum Drehen? Und wie zeichne ich die Karte überhaupt? Peter vermittelt außerdem Wissen über die Geschichte von historisch bedeutsamen Globen und Himmelskarten, über die Kartografen des 17. Jahrhunderts. Über die Beschaffenheit der Welt, ihre tektonischen Platten, Gletscher und Grenzen:

"In Indien könnte ich zum Beispiel im Gefängnis landen, wenn ich eine Weltkugel verkaufen würde, die die Grenze zu Pakistan so zeigt, wie es die Regierung von Pakistan für richtig hält. Im Libanon wird ein Globus, auf dem Israel zu sehen ist, nicht durch den Zoll gehen. China wird keine Karte oder Weltkugel akzeptieren, auf der Taiwan als unabhängiges Land dargestellt ist." Leseprobe

"Manufaktur des Staunens"

Zusammenfassen lässt sich dieses bildschöne Buch mit dem passenden Satz vom Buchrücken: "Willkommen in der Manufaktur des Staunens." Diese Manufaktur in London produziert heute für Liebhaber, für Menschen, die ihre Geschichte personalisiert in eine Karte gießen wollen und selbst für Filmsets.

Auch Peters Vater hat seinen Globus noch bekommen - zum 83. Geburtstag. War Dad beeindruckt? "Auf einer Skala von eins bis zehn? Höchstens mit einer Drei."

Der Globenmacher - und wie das Bild unserer Welt entstand. Die faszinierende Geschichte eines alten Handwerks

von Peter Bellerby
Seitenzahl:
240 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
Aus dem Englischen von Anu Katariina Lindemann
Verlag:
Knesebeck
Bestellnummer:
978-3-95728-851-6
Preis:
36 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Sonntag | 02.03.2025 | 12:20 Uhr

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