"Berlin Alexanderplatz": Alfred Döblins Großstadtroman
Berlin Alexanderplatz war der einzige große Erfolg, der Alfred Döblin in knapp achtzig Lebensjahren vergönnt war. Er zeichnet darin ein Kaleidoskop der 20er-Jahre in der brodelnden Metropole Berlin.
"Berlin Alexanderplatz", im Untertitel "Die Geschichte vom Franz Biberkopf", war der erste und einzige große Erfolg, der Alfred Döblin in seinen knapp achtzig Lebensjahren vergönnt war, und es ist auch sein einziges Buch, das fest in unserem literarischen Bewusstsein verankert ist. Es erschien 1929, und Bertolt Brecht, der fast gleichzeitig am Schiffbauerdamm seine "Dreigroschenoper" herausbrachte, schrieb damals, bei der Beschreibung des modernen Menschen in der Massengesellschaft komme niemand mehr an "Berlin Alexanderplatz" vorbei. Die einzigartige Verbindung einer individuellen Geschichte mit einem Großstadtpanorama, für die Döblin Stil und Sprache fand, macht das Buch zu einem dichten Kaleidoskop der Zwanzigerjahre in der brodelnden Metropole Berlin.
Franz Biberkopf in den Mühlen des Massenzeitalters
Im Untertitel steht: "Die Geschichte vom Franz Biberkopf". Der Held des Buches, ein ehemaliger Zement- und Transportarbeiter, steht an der Schwelle zu einem neuen Leben. Nach verbüßter Haftstrafe wegen Totschlags verlässt er das Tegeler Gefängnis und will ein anständiges Leben führen, aber diesem Vorsatz wird er nicht treu bleiben, vielmehr gerät er immer tiefer in kriminelle Machenschaften. Vom Leben geschlagen, gestoßen und torpediert, macht er eine wahre "Gewaltkur" durch, gemäß Döblins Worten, die dem Roman vorangestellt sind: "Dies zu betrachten und zu hören wird sich für viele lohnen, die wie Franz Biberkopf in einer Menschenhaut wohnen und denen es passiert wie diesem Franz Biberkopf, nämlich vom Leben mehr zu verlangen als das Butterbrot."
Biberkopf ist nur einer von Hunderttausenden, die durch die Mühlen des Massenzeitalters gedreht werden, ohne recht zu wissen, wie ihnen geschieht. Man blickt in diesem Roman oft wie aus der Vogelschau auf das riesige, wimmelnde Berlin vom Ende der Zwanzigerjahre, dann wieder taucht man ein in die Metropole bei Tag und bei Nacht, hört sie lachen, schimpfen, stöhnen, hört ihren Zungenschlag, die Schnoddrigkeit, für die die Berliner bekannt sind.
Handlung von "Berlin Alexanderplatz" mit kunstvoller Montage
Berühmt ist der Roman vor allem durch die Technik der Montage, von der reichlich Gebrauch gemacht wird. Damit ist das überraschende Nebeneinander disparater Texte mit unterschiedlichen Inhalten und Stilformen gemeint, wie Zeitungsartikel oder Werbematerial. Montage dient der Absicht, eine komplexere Darstellung der Wirklichkeit zu erreichen und Elemente einer Wirklichkeit aufzunehmen, die außerhalb dessen liegen, was ein Erzähler erfinden kann. Der traditionelle Erzähler, der den Leser bei der Hand nimmt und ihn durch das Gewirr der Handlung führt, ist hier weitgehend verabschiedet. An seiner Stelle scheint nur noch ein Hintergrundjongleur die Fäden zu ziehen, der mit tausend Zungen spricht und das Panorama der Großstadt aus zahllosen Schnipseln zusammenfügt. Bewusstes und Unbewusstes, Perspektivenwechsel, Stilmischungen von der sachlichen Beschreibung bis zum inneren Monolog - all dies hat Döblin einbezogen und damit die überkommene Form des Romans gesprengt. Dabei gibt er kein naturalistisches Abbild der Metropole, weit eher eine dichterische Vision.
Döblin verwendet Gleichnisse aus dem Alten Testament
Biberkopfs scheinbar banale Alltagsgeschichte wird immer wieder mit den überlieferten Erzählungen des Alten Testamentes konfrontiert, den Geschichten vom Paradies und vom Sündenfall, mit dem alle Beschwerlichkeit des Lebens begann, und der Geschichte von Hiob - sie ist ein Gleichnis für Biberkopfs Geschichte. Und eine weitere Melodie wird im Laufe des Buches immer vernehmbarer: das Lied vom Schnitter namens Tod - bis zum Ende des Buches wird es nicht mehr verstummen. Da liegt Biberkopf, vom Leben gezeichnet, in einer Irrenanstalt, zu schwach, um sich noch einmal gegen das Schicksal aufzulehnen, ihm bleibt nur mehr, zu erkennen und zu bereuen. Man hat an diesem Ende kritisiert, dass aus dem Moritatensänger Döblin ein Prediger, aus dem Gesellschaftskritiker ein religiöser Mystiker geworden sei. Der Autor schrieb, mit den letzten Zeilen sei er immer bereits über das gerade vollendete Buch hinausgelangt.