200. Todestag des Brockhaus-Gründers: Wissen - gebunden oder gegoogelt?
Der Verleger Friedrich Arnold Brockhaus machte das Nachschlagewerk zu einer Institution. Heute suchen die Menschen Wissen im Internet statt in einer gebundenen Enzyklopädie. Doch hat sich wirklich so viel verändert?
Mal kurz etwas nachschlagen - dafür nahmen viele lange Zeit den Brockhaus in die Hand. Vor 200 Jahren, am 20. August 1823, starb Friedrich Arnold Brockhaus. Er formte ein Nachschlagewerk, das in vielen deutschsprachigen Haushalten die Bücherregale zierte und der Inbegriff verlässlichen Wissens wurde: den Brockhaus. 1808 kaufte Brockhaus, der 1805 den Brockhaus Verlag gegründet hatte, die Rechte an einem fünfbändigen Lexikon des Verlags Löbel und Franke. Noch im gleichen Jahr ergänzte Brockhaus die Reihe um den ausstehenden sechsten Band und ließ das Nachschlagewerk in immer neuen Aktualisierungen und Erweiterungen erscheinen.
Ära der gebundenen Nachschlagewerke ist vorbei
Der Brockhaus nahm einen ungeahnten Aufstieg - war über Jahrzehnte das Nachschlagewerk im deutschen Bildungsbürgertum. Doch die Ära der großen Enzyklopädien scheint vorbei. Seit 2014 wird der Brockhaus nicht mehr gebunden herausgegeben. Stattdessen entwickelt er sich im digitalen Format weiter. "Nachschlagewerke bieten digital viele Vorteile", sagt der heutige Geschäftsführer des Brockhaus Verlags, Thomas Littschwager. "Sie sind sehr viel schneller, wenn es um Updates geht. Man ist nicht auf Zeichen beschränkt. Es gibt Ausnahmefälle: Ein Kinderlexikon hat beispielweise immer noch einen ausgedruckten Wert."
Digitaler Brockhaus als Rückversicherungsquelle
Noch schneller und dazu kostenfrei geht die Suche nach Informationen natürlich im Internet. Suchmaschinen führen zu Wikipedia und unzähligen weiteren Internetseiten. Doch wissen die Menschen, welchen Quellen sie trauen können? Thomas Littschwager hofft, dass der digitale Brockhaus so etwas wie eine Rückversicherung, eine verlässliche Nachschlageinformation ist. Früher war ein Brockhaus eine finanzielle Anschaffung, die nur dem wohlhabenden Bildungsbürgertum möglich war. "Der Brockhaus war früher ein Luxusartikel", stellt auch Thomas Littschwager fest. Heute sei es das Ziel des Verlags, dass sich jeder die digitalen Wissensangebote leisten könne.
Brockhaus druckt geprüftes Wissen
Von Beginn an hatte Verleger Friedrich Arnold Brockhaus sich zum Ziel gesetzt, nachhaltig gesicherte Informationen zu veröffentlichen, um sich von vielen anderen Enzyklopädien der Zeit abzusetzen. Eine ganze Redaktion kümmerte sich um die Fachbeiträge von Experten, man unterhielt Außenstellen - etwa in Wien und St. Petersburg. Ob es die sechs-bändige oder gar die 30-bändige Ausgabe war - die Enzyklopädie informierte fundiert und geprüft zu verschiedensten Themen.
Heute ist es ähnlich: Ein Team von internen Mitarbeitern und zahlreichen Experten soll dafür sorgen, dass der digitale Brockhaus auf dem neusten Stand ist. "Prinzipiell aktualisieren wir täglich", erklärt Thomas Littschwager und fügt hinzu: "Wir haben nicht den Fokus, dass wir total tagesaktuell sind. Aber wenn zum Beispiel wie im vergangenen Jahr Queen Elizabeth II. gestorben ist, dann aktualisieren wir das innerhalb weniger Minuten." Wer eine Suchmaschine benutzt, vertraut sich Algorithmen an, muss filtern und geeignete Quellen identifizieren. Das erfordert nicht nur Lese-, sondern auch Medienkompetenz.
Falschinformationen erkennen lernen
Wikipedia ist eine einzigartige Plattform, das dort verbreitete Wissen bedarf aber einer Überprüfung. Das erfordert nicht nur Lese-, sondern auch Medienkompetenz. Diese Kompetenz entscheidet darüber, ob jemand falsche von richtigen Informationen unterscheiden kann. Schulen sind ein wichtiger Ort, um die jungen Menschen auf diese Aufgabe vorzubereiten. Auch der Brockhaus Verlag bietet Online-Kurse für die Internetrecherche an. "Das sehen wir als unseren Auftrag, dieses Wissen weiterzugeben, dass auch die nachfolgende Generation in der Lage ist, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden", sagt Littschwager.
Falschinformationen schon vor 220 Jahren
Er verweist darauf, dass auch früher viele Falschinformationen im Umlauf waren: "Das Lustige ist, dass es gar nicht so viel anders war, als Arnold Brockhaus vor circa 220 Jahren das Nachschlagewerk gekauft hat. Denn damals gab es eine Vielzahl von Druckwerken mit sehr unterschiedlichen Formen von Wahrheitsgehalt." Friedrich Arnold Brockhaus habe es sich zum Ziel gesetzt, richtiges und geprüftes Wissen zu verbreiten. Die Gesellschaft hat heute andere Instrumente und technische Voraussetzungen, um Wissen "nachzuschlagen". Aber womöglich steht sie prinzipiell vor ganz ähnlichen Problemen wie damals.