"1964 - Augen des Sturms": Paul McCartneys Fotos zeigen intime Seite der Beatles
Paul McCartneys selbstgeschossene Fotos zeigen die Anfänge der "Beatlemania", als die Beatles von einer beliebten Popgruppe zu einem weltweiten Star-Phänomen wurden. Eine Auswahl ist nun in einem Bildband erschienen.
Sie dreht total durch: Mund und Augen weit aufgerissen, die langen Haarsträhnen wild um ihr Gesicht fliegend, Arme ausgebreitet, will die junge Frau in Rock, Bluse und langen weißen Kniestrümpfen sofort losrennen - nur der milde lächelnde Cop hält sie mit sanftem Druck noch zurück. Doch die Menge hinter ihr drängt bereits nach, denn - unfassbar - die Beatles steigen aus einer Limousine!
"Fast kann ich den Schrei des Mädchens hören", kommentiert Paul McCartney trocken diese Szene knapp 60 Jahre später in einer lakonischen Bildunterschrift. Er war in Miami vor dem Hotel aus dem Wagen gestiegen und hatte das Teenager-Empfangskomitee mit seiner kleinen Pentax geknipst. So wie er auch hinter der Bühne, in der Garderobe Schwarz-Weiß-Fotos machte, Ende 1963 in Liverpool, als die Gruppe gerade in England durchzustarten begann.
Paul McCartney: "Ich bin ein begeisterter Gelegenheitsfotograf"
Ringo wie ein Konfirmand: dunkler Anzug, weißes Hemd, Strickkrawatte; den Kopf in der rechten Hand aufgestützt, sitzt er nachdenklich da. Ein ruhiger Moment vor dem nächsten Gig.
John mit dicker Hornbrille, die er dann für die Auftritte abnahm, weil ihm Brilletragen damals peinlich war; im Hintergrund wellt sich eine Blümchengardine.
George im Porträt, gerade mal 20, der Pilzkopf-Pony verdeckt die Augenbrauen, sein melancholischer Blick verrät etwas Müdigkeit.
Es sind wunderbar stille und intime Aufnahmen, wie sie die Pressefotografen in dieser Zeit nicht machen konnten. Wie auch, bei dem Trubel?!
"Auch wenn ich den Aufnahmen gerne einen historischen Wert zugestehe, möchte ich doch unterstreichen, dass ich mich für keinen Meister halte", erklärt McCartney im Vorwort des Bildbands. "Ich bin ein begeisterter Gelegenheitsfotograf, der zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort war", was zufällig die Garderobe der begehrtesten Band der Welt war, weil der Gelegenheitsfotogaf zufällig selbst in dieser Band mitspielte. Den Bass, wie man hört. Ein paar Songs soll er übrigens auch geschrieben haben.
Bilder aus dem Zentrum des Orkans
Muss das denn noch sein? Noch mehr Beatles-Fotos, noch mehr Werbe-Schlagzeilen - "ungesehen, unveröffentlicht, unbekannt!" -, wo die Welt seit sechs Jahrzehnten mit Beatles-Memorabilia überflutet wird?
Nun, einen bestimmten Reiz haben diese Fotos: eben den, im stillen Zentrum des Orkans entstanden zu sein, im Auge des Sturms. John, Paul, George und Ringo sind selbst die "Augen des Sturms", haben sich - kaum in New York angekommen - ins Hotelzimmer zurückgezogen und wurden zu "Gefangenen mit Zimmerservice": "Kaum waren wir angekommen, da hat uns die Polizei aufgefordert, nicht aus dem Fenster zu sehen und nicht zu winken. Wenn wir’s doch tun, kommt der Polizeichef hoch und sagt: 'Das war’s Jungs!' und kümmert sich nicht mehr um uns. Also können wir nichts machen", sagte ein leicht genervter McCartney bei einer Pressekonferenz.
Rare Momente heiterer Unbeschwertheit
Er fotografierte also vom Autorücksitz aus, wie amerikanische Highways mit riesigen Reklametafeln an ihnen vorbeiziehen. Knipste aus dem Zugfenster schmunzelnde schwarze Arbeiter am Bahnsteig. Wehrte sich gegen die Horde von Fotografen, indem er einfach zurückfotografierte. Und machte in Florida Farbfotos, die sonnendurchtränkte, rare Momente heiterer Unbeschwertheit zeigen, als vier Jungs aus dem grauen Norden Englands am Pool in Miami herumplantschten und -alberten wie auf Klassenfahrt.
Eine Klassenfahrt, die in den folgenden Jahren zunehmend kräftezehrend und wahnwitzig wurde und doch, sagte McCartney 1964, ist diese irre Beatlemania für ihn ein großer Spaß: "Es ist großartig, fabelhaft, wundervoll! Das ist es wirklich. Es ist ein fantastisches Gefühl! Dasselbe Gefühl, wie wenn man auf die Bühne geht und dieses wahnsinnige Geschrei hört. Das ist schmeichelhaft! Ein gutes Gefühl."
1964 - Augen des Sturms
- Seitenzahl:
- 335 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- C.H. Beck
- Bestellnummer:
- 978-3-406-80300-0
- Preis:
- 49,90 €