Zeitverträge in der Wissenschaft: Neues Gesetz führt zum Brain Drain
Das Bundeskabinett hat eine Reform des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auf den Weg gebracht. Junge Wissenschaftler sollen besser vor kurz laufenden Arbeitsverträgen geschützt werden. Yasmin Appelhans befürchtet in ihrem Kommentar, dass stattdessen die klugen Köpfe aus der Wissenschaft getrieben werden.
Die Reform kommt. Und was gut gemeint ist, stellt sich in der Realität als Problem dar, das nicht zuletzt den Wissenschaftsstandort Deutschland noch weiter gefährden kann. Denn schon jetzt haben Forschende nach der Promotion maximal sechs Jahre Zeit, um zu habilitieren oder ausreichend Veröffentlichungen zu sammeln, um sich für eine der sehr, sehr wenigen entfristeten Stellen zu qualifizieren. Schon jetzt ist Teilzeitarbeit in dieser Zeit fast unmöglich. Wie soll es dann in den kürzeren vier Jahren möglich sein, Kinder zu bekommen? Sie großzuziehen? Angehörige zu pflegen?
Durch Selektionsdruck bleiben nicht die Besten
Dann gibt es eben ein "Survival of the fittest" möchte man meinen. Es werden nur diejenigen durchkommen, die dem Druck standhalten. Das Problem dabei ist: Das sind nicht unbedingt die besten und innovativsten Köpfe. Denn die werden auch in der freien Wirtschaft händeringend gesucht - und das zu wesentlich besseren Bedingungen. Auch im Ausland, wo es keine zeitliche Beschränkung gibt, sind hochqualifizierte Forschende gerne gesehen. Schon vor der sogenannten Postdoc-Phase wird es also noch stärker als jetzt zum befürchteten Brain-Drain kommen.
Großer Wurf kann so nicht gelingen
Dazu fördert das System durch die Beschränkung nicht, dass besonders gute Wissenschaft gemacht wird. Es fehlt die Zeit, vollständig in ein Thema einzutauchen und die Muße, um wahrlich innovativ zu sein. Statt länger über ein großes Projekt nachzudenken, werden lieber viele kleinere, sichere Forschungsfragen angegangen. Der große Wurf kann so nicht gelingen. Nicht zuletzt herrscht häufig ein Klima der Angst, das eher lähmt als gute Ideen fördert.
Mehr feste Stellen in der Wissenschaft
Dass Verträge künftig Mindestvertragslaufzeiten haben, ist ein Anfang. Wichtig wäre es aber, dass mehr feste Stellen im Wissenschaftssystem geschaffen werden, statt nur die Dauer der befristeten Stellen zu beschränken. Die Studierenden brauchen zum Beispiel Lehrende, die sich auch auf ihre Lehre konzentrieren können und für die sie nicht nur eine lästige Pflicht ist, die der Hatz auf dem Weg zur Entfristung im Weg steht. Und die Forschung braucht Wissenschaftler*innen abseits der Professur, die durch Sicherheit im Job auch Spitzenleistungen bringen können.