World of Kitchen in Hannover zeigt die Kulturgeschichte der Küche
Im Museum "World of Kitchen" in Hannover sind 50 Küchen zu bestaunen. Gleichzeitig betreibt das Museum Bildungsarbeit mit Schülerinnen und Schülern - und geht jetzt neue Wege bei der Finanzierung.
Ein Gespräch mit dem "Küchenchef" Carl-Werner Möller - Hof zum Berge, dem ersten Vorsitzenden des Vereins hinter dem Museum.
Herr Möller - Hof zum Berge, ich weiß, wie eine Küche aussieht. Ich weiß auch aus dem Möbelhaus auch, wie eine Küchenausstellung aussieht. Aber in einem Küchenmuseum sieht es dann doch ein bisschen anders aus, oder?
Carl-Werner Möller - Hof zum Berge: Das Küchenmuseum zeigt - einmalig in ganz Europa - derzeit 50 komplett aufgebaute Küchen, vom Mittelalter bis in die Neuzeit, verschiedene Regionen, Länder und Kontinente. Im Moment bauen wir sogar an Küchen aus Mythen und Märchen. Wir bieten den Besuchern an fünf Tagen in der Woche an, jeden Tag sechs bis acht Führungen zu machen und in die Kulturgeschichte der Küche einzusteigen.
Ich erinnere mich an Bilder von den "Hausfrauenküchen" der 50er-Jahre oder an diese Küchenwerkbänke aus den 90er-Jahren. Küchen erzählen auch viel über Gesellschaften. Können Sie uns da ein paar Beispiele nennen?
Möller-Hof zum Berge: Das, was Sie gesagt haben, ist richtig. Aber uns hat eigentlich bewegt: Wenn wir mal 800 Kilometer gen Osten gehen oder in andere Länder kommen, dann sind die Küchen dort ganz anders strukturiert, ganz anders aufgebaut. Den Herd oder den Luxus, den wir bei uns zu Hause haben, den gibt es in anderen Ländern gar nicht. Man merkt die Unterschiede in französischen, italienischen, spanischen, griechischen Küchen et cetera.
Wie sehen die Unterschiede zum Beispiel aus?
Möller-Hof zum Berge: Das hat teilweise mit den Möbeln zu tun, mit den Gerätschaften, mit denen man arbeitet, auch mit der Herdform. Wenn wir nach Tirol oder nach Österreich kommen, da gibt es noch ganz viele Wamsler, die mit Holz und Kohle befeuert werden, während wir heute mit Induktion arbeiten - was man gerade auf dem Lande gar nicht kennt und manchmal auch mangels Strom gar nicht anschließen kann.
Was ist die ungewöhnlichste Küche, die man bei Ihnen betrachten kann?
Möller-Hof zum Berge: Das ist sehr schwierig zu sagen. Wir haben im Grunde genommen ganz viele interessante Küchen. Wir haben auch die klassische Frankfurter Küche - die ist ja in der Geschichte der Küche etwas ganz Besonderes: Sie wurde 1927 von Margarete Schütte-Lihotzky für den Frankfurter sozialen Wohnungsbau entworfen. Diese Küche sollte auf wenigen Quadratmetern wie ein kleines Laboratorium sein, wo die Hausfrau das Essen zubereitet. Diese Küche wurde tausendmal gebaut und ist natürlich inzwischen verrottet und entsorgt. Aber wir haben noch ein Original.
Im Küchenmuseum in Hannover werden Küchen nicht nur ausgestellt, sondern sind auch in Betrieb. Gekocht wird mit Schülerinnen und Schülern - warum?
Möller-Hof zum Berge: Als wir den Verein gegründet haben, war eine ganz wichtige Prämisse: Wir möchten Kindern und Jugendlichen die Ernährungsbildung näherbringen. Es hat ein bisschen damit zu tun, dass ich schon im Vorfeld ehrenamtlich an Schulen gekocht habe und wusste, dass in vielen Schulen gar keine Küche mehr existiert. Das wurde dann von den Lehrern und von den Menschen angenommen, sodass wir nicht nur die Kulturgeschichte der Küchen zeigen, sondern wir haben auch eine große Schulküche, in der 30 Kinder und Jugendliche kochen dürfen. Wir machen fünf bis sechs Kinderkochkurse pro Woche. Wenn die uns jeden Tag besuchen, dann machen die eine Stunde Führung durch die Ausstellung, gehen in den maurischen Palast, wo sie einen arabischen Pfefferminztee trinken können. Dann kommen sie in die Schulküche und können dort einen Grundkochkurs machen: Da gibt es eine italienische Minestrone und einen römischen Salat. Die Lehrer haben auch die Möglichkeit, mehrere Kochkurse zu buchen. Da wird dann jedes Mal ein Drei-Gänge-Menü gekocht. Das hat sich inzwischen etabliert, und wir sind stolz, dass seit der Eröffnung 2010 32.000 Kinder und Jugendliche bei uns gekocht haben.
Nun wird für diese Arbeit, für das Museum eigens eine Stiftung gegründet. Warum ist das notwendig?
Möller-Hof zum Berge: Wir haben das schon sehr lange geplant, aber dann kam Corona, da war es erstmal ums Museum geschehen. Gottseidank hatten wir viele Anhänger, die im ersten Lockdown viel Spenden gemacht haben, sodass innerhalb von wenigen Wochen über 40.000 Euro zusammenkamen und wir überleben konnten. Inzwischen ist es so, dass die Besucherzahlen, die Kochkurse, die ganzen Events wieder gestiegen sind und wir gesagt haben: Jetzt möchten wir da wieder ansetzen, wo wir vor Corona aufgehört haben - wir möchten das Ganze in die Zukunft tragen. Denn das Küchenmuseum ist nicht nur ein besonderes Objekt, es beherbergt auch über eine Million Exponate und ist in Hannover das sechstbeliebteste Museum. Und damit das auch langfristig gesichert werden kann, wollten wir das Küchenmuseum, den Verein und die Küche mit einer Stiftung auf sichere Beine stellen.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.