Steigende Festival-Kosten: "Das wird von Jahr zu Jahr schwieriger"
Heute Abend startet im niedersächsischen Scheeßel das Hurricane-Festival. Aufgrund der immer höher werdenden Kosten werden in Zukunft nur noch 20 Prozent aller Musikfestivals Geld verdienen können, meint Folkert Koopmans, der für das Line-Up des Hurricane verantwortlich ist.
Herr Koopmans, ich nehme an, Sie haben, obwohl Sie schon so lange im Geschäft sind, ordentlich Adrenalin im Blut vor lauter Vorfreude, oder?
Folkert Koopmans: Das ist eigentlich immer so vor einer Veranstaltung. Das wird sich, glaube ich, auch in Zukunft nicht ändern.
Beim Hurricane können 78.000 Tickets verkauft werden. Noch gibt es welche. Wie viel fehlt denn noch bis zum Status "ausverkauft"?
Koopmans: Es fehlen nicht mehr viele. Der Freitag wird ausverkauft sein, und der Samstag und Sonntag sind ein wenig schwächer. Aber wir reden da von 1.000 bis 2.000 Tickets, die da noch fehlen. Das ist im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren ein wenig ungewöhnlich gewesen, dass wir gerade in den letzten Wochen doch noch sehr gut verkauft haben. Das hatten wir Anfang Mai gar nicht erwartet.
Und das, obwohl die Tickets deutlich teurer geworden sind: 249 Euro zahlt man für den Festivalpass, die Tagestickets kosten 119 Euro. Wohin führt diese Entwicklung der Ticketpreise? Das ist ja mittlerweile ein normaler Preis.
Koopmans: Das ist ein normaler Preis. Eigentlich müssten die Preise noch höher sein, wenn wir die Kostenentwicklung sehen. Aber wir stellen auch fest, dass die Leute schlichtweg nicht mehr Geld haben, und es würde wahrscheinlich dem Verkauf deutlich schaden, wenn wir noch mehr Geld nehmen würden. Wir versuchen, da immer eine Balance zu finden zwischen Einnahmen und Ausgaben, und das wird von Jahr zu Jahr schwieriger.
Machen Sie sich Sorgen, dass diese Balance kippt?
Koopmans: Ja, das kann durchaus sein. Ich glaube, dass wir mit dem Hurricane-Festival eine sehr starke Marke haben, die auch gut etabliert ist. Aber ich glaube, dass gerade viele kleinere Festival schon darunter leiden werden.
Sie haben in einem anderen Interview gesagt, dass nur noch 20 Prozent der Musikfestivals in Zukunft Geld verdienen werden - eine ziemlich düstere Prognose. Hängt das auch mit den Künstlergagen zusammen?
Koopmans: Ja, das hängt teilweise mit den Künstlergagen zusammen. Da muss man aber sagen, dass es da eigentlich schon vor circa zehn Jahren einen relativ großen Umschwung gegeben hat, weil die Künstler nicht mehr von ihren Gema-Einnahmen leben oder ihren Einnahmen, die sie über Plattenverkäufe generieren. Jetzt sind es alle Kosten drumherum, die das ausmachen.
Diese um 30 Prozent höhere Kosten bei einem Festival für Bühnentechnik, Lebensmittel und so weiter?
Koopmans: Genau.
1,9 Milliarden Euro Umsatz hat der Ticketverkäufer und Konzertveranstalter Eventim im vergangenen Jahr gemacht. Eine Bilanz, die nach zwei Jahren Pandemie das bisher beste Geschäftsjahr von Eventim 2019 deutlich übertraf. Wo kommt das Geld denn her, wenn es im Live-Geschäft so schwierig ist?
Koopmans: Das kommt aus den Ticket-Einnahmen weltweit. Man muss sehen, dass Eventim mittlerweile ein weltweites Unternehmen ist, das in Brasilien, in den USA und so weiter arbeitet.
Trotzdem läuft da doch durchaus was falsch, wenn Künstler nicht mehr so viel verdienen, die Menschen sich Festivals und Konzerte nicht mehr richtig leisten können und die Veranstalter so große Erfolge erzielen, oder?
Koopmans: Das Erste würde ich nicht unterschreiben. Ich glaube, dass man da differenzieren muss: Künstler verdienen durchaus noch, aber es gibt - genauso wie in allen anderen Bereichen - auch kleinere Künstler, die nicht mehr viel verdienen. Das hat aber eigentlich mit unserem Geschäft wenig zu tun. Aber die Kosten - klar, das bleibt ein Punkt.
Kann man dieser Entwicklung irgendwie entgegenwirken, dass Ticketverkäufer so viel Geld machen?
Koopmans: Das kommt natürlich auf den Ticketkäufer an. Letztendlich ist es ja ein Angebot-Nachfrage-Verhältnis. Der Ticketkäufer muss letztendlich entscheiden, was er für ein Ticket ausgibt und muss sehr sorgfältig gucken, wo er die Tickets kauft und mit welchem Aufschlag. Wir werden am nächsten Dienstag wieder in den Verkauf gehen, mit einem Preis von 199 Euro für ein bestimmtes Kontingent, und ich glaube, dass die Käufer durchaus die Möglichkeit haben, diese Tickets zu regulären Preisen zu kaufen.
Nach Corona gab es so einen richtigen Konzertstau für kleinere Musiker wegen nachgeholter Konzerte von großen Stars. Hat sich das mittlerweile wieder etwas entkrampft?
Koopmans: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich glaube, dass es bei den Kleinen extrem schwierig ist - nicht nur bei den Künstlern selbst, sondern auch bei den Klubs. Ich finde, dass es dort eine wesentlich bessere Unterstützung geben muss, ansonsten wird es schwer werden für den Nachwuchs. Man muss sowohl die Klubs unterstützen als auch die aufstrebenden Künstler.
Sie haben viele Festivals unter ihren Fittichen. Was gefällt Ihnen so besonders beim Hurricane?
Koopmans: Wenn die großen Acts auftreten und 70.000 bis 80.000 Leute vor der Bühne stehen - das ist immer das schönste Gefühl. Wir haben natürlich auch viele kleinere Acts, die man jetzt entdecken kann. Ich glaube, 1998 haben wir Muse für 500 Euro gebucht und die standen ganz unten auf dem Plakat.
Das Interview führte Eva Schramm.