So kommt Kultur aufs platte Land
Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Und es werden auch immer weniger, die außerhalb der Metropolregionen leben wollen. Die Folgen des sogenannten demographischen Wandels: schlechte Verkehrsanbindungen, medizinische Unterversorgung und mangelnde Einkaufsmöglichkeiten sind in ländliche Gegenden ein Problem. Dazu kommt oft eine gewisse kulturelle Verödung. Auf dem Dorf ist einfach nicht so viel los. Wie daran mit ein wenig Einfallsreichtum und Engagement etwas ändern lässt, zeigt Bröckel bei Celle.
Kulturabende in ehemaligem Schankraum
Freitagabend in Bröckel. Kaum ein Mensch ist auf den Straßen, aber im Antikhof Drei Eichen ist was los: Früher war die Dorfkneipe in dem 100 Jahre alten Bauernhaus; jetzt lebt und arbeitet der Restaurator Torsten Laskowski darin. Im einstigen Schankraum lädt er regelmäßig zu Kulturabenden ein. "Am Anfang kamen die Leute nicht so aus dem Dorf. Wat de Buur nicht kennt, ... Aber inzwischen kommen auch viele aus Bröckel. Wird gut angenommen, hat sich rumgesprochen, dass das ganz toll ist, was wir machen", sagt Laskowski. "Bis November nächsten Jahres haben wir jeden Monat ein Konzert hier."
Sonst ist in der Gegend ja nicht viel los
Laskowski hat Teelichter angezündet und zur Dekoration unzählige alte Suppenkellen aufgehängt. Über einen Tresen verkauft er Laugenstangen und Wein. Die Besucher - meist um die 40 oder älter - stehen in kleinen Gruppen zusammen und freuen sich schon auf die Musik. Sonst ist in der Gegend ja nicht so viel los. "So kleine Konzerte gibt es sonst nur in Hannover in Kneipen", sagt eine Frau. "Da gehe ich dann auch regelmäßig hin. Allerdings muss man dazu in die Stadt fahren." Und das dauert von Bröckel aus eine knappe Stunde.
Konzerte, Filmabende, Vorträge und Theater
Die Konzerte sind nicht die einzigen Kultur-Ereignisse, die Torsten Laskowski mitorganisiert. Ein eigens gegründeter Verein veranstaltet zum Beispiel auch die FlotArt, eine Art Kunstbiennale in der Samtgemeinde Flotwedel. Für ein Wochenende öffnen Dorfbewohner dann Häuser und Höfe; solange arbeiten Künstler darin und stellen aus. Dazu gibt es Konzerte, Filmabende, Vorträge und Theater. "Vor zehn Jahren, als ich hierherzog, es gab ein Atelier-Wochenende, das von den ortsansässigen Künstlern organisiert wurde. Aber das ist eingeschlafen", erzählt Laskowski. Schließlich habe er gemeinsamt mit einem Freund, der Goldschmiedemeister im Dorf ist, einen Aufruf gestartet. Viele Interessierte hätten sich gemeldet. "Daraus hat sich dieser Verein entwickelt", sagt Laskowski.
Konzertsaal und Pilgerherberge
Der Künstler des Abends betritt den Antikhof Drei Eichen. Arndt Schulz trägt seinen Gitarrenkoffer herein. Und Laskowski erzählt von einem weiteren Projekt, das ihm am Herzen liegt. Er will den Pilgerweg Via Romea bekannter machen. Der führt von Stade nach Rom - direkt an seinem Haus vorbei. "Seit Kurzem bin ich auch noch Pilgerherberge", sagt Laskowski. "Das war eine Entscheidung, die ich im letzten Jahr getroffen habe, als ich ein neuseeländisches Pärchen hier vor der Tür stehen hatte. Die haben mir vom Pilgerweg erzählt. Ich wusste das gar nicht, dass er durch unser Dorf führt. Jeder kennt den Jakobsweg, den Franziksusweg; aber der Via Romea, der ist eben noch relativ unbekannt. Da habe ich gedacht: Mensch, da mach doch eine kleine Herberge hier auf."
"Man braucht gar nicht viel Platz"
Ein kleines Netzwerk braucht es schon für so einen dörflichen Kulturbetrieb, meint Torsten Laskowski. Sein Freund, der Webdesigner und Fotograf Jens-Christian Schulze zum Beispiel organisiert Kunstfest und Konzerte mit. "Man braucht ja gar nicht viel Platz dafür", sagt Schulze. "Die Musiker kommen hier nicht mit Trucks angefahren, auf denen große Anlagen stehen, sondern sie haben ihre Gitarre und ihr Mikrofon - das reicht dann schon."
"Das Dorf lebt auf"
Die rund 40 Stühle im alten Schankraum sind inzwischen alle besetzt. Arndt Schulz spielt einen Mix aus Country, Folk und Blues. Und die Besucher freuen sich über das Kultur-Event im Dorf. Sie sind von der Location begeistert, loben die Gemütlichkeit, die Atmosphäre - und sind glücklich, dass man nicht in irgendeine Stadt fahren muss, um immer wieder andere Stilrichtungen der Musik zu erleben. Die einhellige Meinung über die Kultur-Events in Bröckel: "Das Dorf lebt auf."