Marstall im Park von Putbus © NDR Foto: Günter Kamp

Putbus: Perfekter Rahmen für Konzertabend "Gegensätze"

Stand: 17.04.2025 16:23 Uhr

Zehn Tage lang bot der Festspielfrühling Rügen im März musikalische Entdeckungen und persönliche Begegnungen mit handverlesenen KünstlerInnen. NDR Kultur sendet Ostersonntag zwei Konzerte mit Werken von Schostakowitsch, Tschaikowsky und Steve Reich.

von Juliane Voigt und Christiane Irrgang

"Gegensätze" hieß der Konzertabend im Marstall Putbus am 27. März. Denn auf dem Programm standen neben Werken von Tschaikowsky auch Kompositionen von Steve Reich, und auf der Bühne hatten sich vier Schlagzeuger und zwei Pianistinnen eingefunden. Einige Arrangements für diese außergewöhnliche Besetzung hat der Künstlerische Leiter des diesjährigen Festivalfrühlings, der Schlagwerker Alexej Gerassimez, selbst geschrieben, zum Beispiel fünf Klavierstücke aus dem Kinderalbum von Peter Tschaikowsky.

Auch wenn Gerassimez schon früh das Schlagzeug als sein Instrument gewählt hat - Tschaikowskys Musik kennt er seit seiner Kindheit und Jugend in Essen. Als Perkussionist aber hat er natürlich vor allem Werke des 20. und 21. Jahrhunderts im Repertoire, zum Beispiel von Komponisten wie Steve Reich. So hat er dieses Konzertprogramm der Gegensätze zusammengestellt, einen "Peter Tschaikowsky-Steve Reich-Clash".

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Danae und Kiveli Dörken im Portrait © Nikolaj Lund Foto: Nikolaj Lund

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Steve Reich: Lebende Legende der zeitgenössischen Klassik

Steve Reich, der 89-jährige Amerikaner, wird als lebende Legende der zeitgenössischen klassischen Musik gefeiert. Im Putbuser Marstall war für sein Sextett ein ganzer Spielplatz aufgebaut: zwei Flügel, zwei Synthesizer, zwei Vibraphone, drei Marimbas, zwei Basstrommeln, Crotales, Sticks und ein Tam Tam.

Die deutsch-griechischen Schwestern Kiveli und Danae Dörken waren Teil der Festival-Familie im diesem Rügener Festspielfrühling. Bei der Minimal Music von Steve Reich lag der Fokus der beiden Pianistinnen allerdings mehr auf den Rhythmen als auf klassischer Virtuosität. Danae Dörken gibt zu: "Steve Reich ist für uns auch ungewohntes Repertoire und deswegen umso spannender zu erkunden. Ich, zum Beispiel, spiele die Orgel mit einem Schweller. Das heißt, ich kann zum ersten Mal in meinem Leben einen liegenden Ton lauter werden lassen, was ja beim Klavier unmöglich ist. Und das ist natürlich sehr spannend."

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Eine Frau steht auf einer Bühne am Mikrofon, neben ihr zwei Männer an Schlagwerken. © Festspiele MV

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Minimal Music - mit Erklärungen zur Rhythmik

Denn das ist charakteristisch für Minimal Music: Wiederholungen von einfachen Strukturen und rhythmische Verschiebungen. Die kommen in den Kompositionen ihres Erfinders Steve Reich immer wieder vor. Umso wirkungsvoller ist es, wenn solche Parts plötzlich wechseln, in andere Klangfarben oder Akkorde und in andere Rhythmen.

Gerassimez, der an der Münchner Hochschule für Musik und Tanz auch eine Professur für Schlagzeug innehat, didaktisch also erfahren ist, erklärte dem Publikum im Putbuser Marstall, wie man die Musik von Steve Reich besser verstehen kann: "Patterns sind rhythmische Einheiten, die immer wieder wiederholt werden, und eines seiner meistgenutzten Patterns ist eins, das aufgebaut ist aus 3/8 - Pause, 2/8 - Pause, 1/8 - Pause, 2/8 - Pause und dann das Ganze wieder von vorn. Das finden Sie überall wieder, und wahrscheinlich ist das deshalb eins seiner Lieblingsmotive, weil man damit wahnsinnig toll Verschiebungen anstellen kann."

Pianisten-Duo Dörken mit "ungewohnter" Kammermusik

Zwei Frauen stehen nebeneinander vor einem schwarzen Flügel. © Franziska Dieckmann / NDR Foto: Franziska Dieckmann / NDR
Die Pianistinnen Danae (l.) und Kiveli Dörken.

Auch die Schwestern Kiveli und Danae Dörken treten sowohl einzeln als auch zusammen auf. Und sie bereiten sich gemeinsam auf die Konzerte vor: "Wir leben zusammen tatsächlich in einem Haus, und wir haben mehrere Instrumente, also können wir auch vierhändiges Repertoire oder Stücke für zwei Klaviere, alles Mögliche können wir gemeinsam üben. Das hat die Probearbeit während des Festivals entlastet."

Beim Rügener Festspielfrühling waren sie meist umringt von Schlaginstrumenten. Schon ungewohnt, findet Danae Dörken, aber eigentlich auch wieder nicht. Denn "letztendlich ist ja die gesamte Musik, die wir hier machen, eigentlich Kammermusik. Und ob da Klavier und Streicher oder Klavier und Bläser oder Klavier und Perkussion spielen, ist von der Philosophie her genau das Gleiche. Wir machen gemeinsam Musik, kreieren gemeinsam im selben Geist Musik."

Mit dabei: Quatuor Hermès und Lukas Böhm

Der Geist war fühlbar in dieser jungen Festspielfamilie. Zu ihr gehörten neben den Schlagzeugern und den Pianistinnen auch die CelloFellos, das Quatuor Hermès und viele andere Musiker und Musikerinnen, aber auch die Organisatoren und Mitarbeiterinnen. Gemeinsam trommelten sie die gerade aus dem Winterschlaf erwachende Ostseeinsel buchstäblich wach.

Ein weiteres Mitglied dieser Festival-Familie ist Lukas Böhm. Dem gebürtigen Flensburger gelang der internationale Durchbruch mit der Schlagzeugvirtuosin Ni Fan in der Formation DoubleBeats. Lukas Böhm ist Professor für Schlagzeug an den Musikhochschulen in Köln und Dresden. Er steht aber auch oft mit Gerassimez auf der Bühne, wie in Steve Reichs "Drumming" beim Festspielfrühling Rügen.

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Marstall in Putbus: Bärlauch-Kulisse für Tschaikowsky

Ende März ist der Marstall in Putbus umringt von einem frischen grünen Teppich aus wildem Bärlauch, der in großen Teilen des großen englischen Landschaftsparks wächst und ein feines Knoblauch-Aroma verbreitet. Eine ganz spezielle Kulisse also auch für Tschaikowskys "Souvenir de Florence".

Und damit wurden die Gegensätze dieses Abends dann überdeutlich: das Streichsextett ist nämlich ein Originalwerk, ohne Arrangement. Eines der beiden Celli spielte der gebürtige Kanadier Bryan Cheng, inzwischen Wahl-Berliner. Er komplettierte mit der Bratscherin Hiyoli Togawa - übrigens die Ehefrau von Alexej Gerassimez; die beiden haben zwei kleine Kinder zusammen, "Festivalfamilie" ist also gar nicht übertrieben - das französische Quatuor Hermès zu einem Sextett.

Theater in Putbus: Konzert zu Ehren Schostakowitschs

Eine Pianistin, eine Geigerin und ein Cellist auf der Bühne. © Oliver Borchert / Festspiele MV Foto: Oliver Borchert
Auf der Bühne in Putbus (v.l.): Kiveli Dörken, Karen Gomyo und Bryan Cheng.

Am nächsten Tag stand der Ü-Wagen von NDR Kultur vor dem Theater in Putbus. Dorthin hatte Gerassimez zu einem Konzert zu Ehren von Dmitri Schostakowitsch eingeladen. Dessen Todestag jährt sich am 9. August zum 50. Mal. Auf dem Programm stand unter anderem das frühe Klaviertrio Nr. 1 c-Moll. Es besteht aus nur einem einzigen Satz, aber darin klingt schon der große Komponist an, der er später werden sollte, findet die Pianistin Kiveli Dörken.

"Bei Schostakowitsch ist es immer beeindruckend, wie seine ganz persönliche Klangsprache bei allen Stücken durchkommt. Er hat eine Art, sich musikalisch auszudrücken, die wirklich kein anderer Komponist hat. Sicherlich hängt vieles damit zusammen, dass sein Leben so verlaufen ist, wie es ist, dass er unter einem sehr unterdrückenden kommunistischen Regime komponieren musste, dass er immer Angst haben musste, wegen seiner Kunst verfolgt zu werden, und immer wieder haarscharf daran vorbeigekommen ist", sagt Kiveli Dörken.

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SHMF © Musikfest© Axel Nickolaus Foto: ©Axel Nickolaus

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Das Konzert | 20.04.2025 | 21:30 Uhr

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Klassik

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