von Andrea Schwyzer

"Ich tanze jeden Tag, und ich will, dass das alle tun" - das sagt Ohad Naharin, einer der einflussreichsten Choreografen unserer Zeit. Er tanzt schon immer. Sein Leben lang. Er sei ein Genie, sagen Wegbegleiter im Dokumentarfilm über den 1952 geborenen Israeli. "Mr. Gaga" erzählt die Geschichte eines Jungen aus dem Kibbuz, der mit der Gaga-Technik einen komplett neuen Tanzstil erfunden hat. Freiheit - um nichts Geringeres geht es hier.

Das Kommunale Kino (KoKi) zeigt die Doku am Montag, passend zum ersten Gast-Ensemble bei den OsterTanzTagen, dem Aterballetto aus Italien. Es bringt nämlich zwei israelische Stücke mit: Eines davon ist von Naharin. Ballettdirektor Christian Blossfeld: "Ich sehe diese Inspiration aus Alltagsbewegungen; Nichts, was jetzt in so eine klassische Norm gedrückt ist, sondern einfach Freiheit. Also vielleicht wie jemand, der in der Küche steht und sich zum Rhythmus von Musik bewegt. Es hat tolle Anhaltspunkte, und das macht es so leicht und zugänglich."

"Traces": Der Mensch und die Natur

Mit Wim Vandekeybus kommt ein furchtloser Suchender nach Hannover. Inspiriert von diversen Kunstrichtungen kreiert er für seine Gruppe Ultima Vez innovative Abende wie "Traces": "In dem Stück geht es darum, inwiefern der Mensch in die Natur eingreift und wie diese Natur oder die Tiere das annehmen", erläutert Blossfeld.

Ein sehr aktuelles Thema, meint der Ballettdirektor: "Gerade, wenn man sich die letzten Jahre anschaut, ob noch etwas von unserem Gespür für die Natur, für die Tiere da ist, oder ob wir das schon ignorieren. Gibt es noch etwas Animalisches, wo wir auf Sachen Rücksicht nehmen oder denken wir einfach nur im Sinne der Menschheit?" Auf jeden Fall keine leichte Kost. Entsprechend projiziert das KoKi Lars von Triers Psychothriller "Antichrist" auf die Leinwand.

"Lovetrain 2020": Groove der 1980er-Jahre

Aufatmen, denn am Ostersonntag wird es mit Emanuel Gat und seinen Tänzerinnen und Tänzern leicht und luftig. Sie fahren mit dem "Lovetrain 2020" auf und versprühen den Groove der 1980er-Jahre, verrät Blossfeld: "Es ist einfach die pure Freude, auch an der Musik der 1980er - also das ist meine persönliche Meinung - es sind einfach starke Bilder; Persönlichkeiten, die anregen, auch mal wieder selber die Musik aufzulegen und sich dazu zu bewegen."

Medien-Workshop: Eigene Bewegungen als Kunstwerk

Dazu passt das Projekt des Medienkünstlers Philipp Contag-Lada. Seine Bilder sind futuristisch, erinnern an stachelige Korallen oder filigrane Haarbüschel. Es sind Tanzsequenzen, übersetzt in Computersprache.

Wie das funktioniert, erläutert Contag-Lada: "Wir haben Choreografien gescannt, mit einem sehr einfachen selbstentwickelten System, was mit der Webcam funktioniert. Daraus entsteht ein unglaublicher Wust an Zahlen, weil jedes Körperglied, also Handgelenke, Ellenbogen etc., mit Koordinaten abgespeichert wird; 30 Mal pro Sekunde. Daraus entsteht ein Bewegungsablauf in Form von Zahlen, und das ist das abstrakte Material, aus dem dann generative Kunst entstehen kann."

Anders gesagt: Wer Lust auf Tanzen hat und seine Bewegungen in ein überraschendes Kunstwerk überführen will, nimmt am 1. April am kostenlosen Workshop mit Contag-Lada und seinem Team im Marschnersaal teil. Von da lässt es sich übrigens prima zur Opernbühne tanzen: Dort präsentiert sich am Abend die Tanzszene Hannovers auf der "Open Stage". Stilistisch unterschiedliche Gruppen feiern K-Poppend, Flamenco-tanzend oder auf Spitze den Abschluss der OsterTanzTage.

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