Oll Inklusiv: Hamburger Initiative holt Senioren aus der Einsamkeit
Die gemeinnützige Initiative Oll Inklusiv holt Menschen durch ungewöhnliche Aktivitäten aus ihrer Einsamkeit. Das Projekt in Hamburg zeigt dabei, wie locker der Umgang von Menschen ab 60 sein kann.
Als Gang durch die Stadt ziehen, Graffitis sprühen, zum Rockkonzert gehen oder die Clubs von Hamburg unsicher machen: All das machen die Teilnehmer*innen der Initiative Oll Inklusiv - dabei sind sie alle schon über 60 Jahre alt.
Mehr als "ein bunter Partyhaufen"
"Nach außen hin wirken wir immer wie so ein bunter Partyhaufen", erzählt Mitra Kassai. "Aber letzten Endes geht es darum, Leute rauszuholen aus der Einsamkeit. Und man sieht Einsamkeit und Armut den Menschen nicht an." Kassai hat die Initiative 2018 gegründet. Seitdem versucht die Musik- und Kulturmanagerin, Menschen ab 60 besondere Aktivitäten anzubieten - da ist auch mal ein Ausflug zum Wacken Festival dabei.
Ebenfalls im Programm: Die Halbpension, bei der der klassische Seniorennachmittag mal anders gedacht wird: In Hamburger Musikclubs statt im Bürgerhaus, mit prominenten Gästen wie Yared Dibaba und anschließender Disko. "Musik, Kunst und Kultur haben nicht nur keine Grenzen, sondern sind auch etwas, was kein Alter haben muss", findet Kassai.
"Senioren und Senioritas" schnacken beim Malen
Ortsbesuch: Bei der Reihe "Volle Kanne" im Teehaus in Planten un Blomen wird heute gemalt. Die "Senioren und Senioritas", wie sie hier genannt werden, haben Bilder vor sich und malen vor sich hin, gemeinsam in einem Raum. Hier geht es nicht um die Qualität der Kunstwerke, sondern um die Geselligkeit und die Gespräche zwischendurch.
Uwe ist seit 2021 dabei. Zum Renteneintritt hat er neue Beschäftigungen gesucht - und bei Oll Inklusiv gefunden. Seitdem macht er bei vielen Aktivitäten mit. Sein Highlight? "Ich glaube, das war beim Musical 'König der Löwen'. Oll inklusiv ist ja auch gegen Altersarmut. So können Rentner hier noch einmal was erleben, auch wenn sie es nicht bezahlen können. Das ist eine tolle Sache."
Eine App hilft auch virtuell gegen Einsamkeit
Auch Renate und Bärbel sind nicht nur beim Malen dabei. Sie versuchen, sich bei fast allen Aktivitäten einen Platz zu sichern. Die sind nämlich immer schnell weg. Ergattern können die "Ollen", wie ihre ironische Selbstbezeichnung ist, die Plätze in einer eigenen App. Dort können sie sich auch in Chats schreiben, bleiben so über die Treffen hinaus in Kontakt.
Die App bietet einen virtuellen Raum gegen die Einsamkeit. Bärbel erschien die Technik erst einmal als Hürde - die aber schnell überwunden war: "Mir hat man die App eingerichtet, weil ich nicht so firm bin mit dem Handy. Seitdem bin ich dabei, schreibe da auch und nehme die Termine wahr. Eine schöne Sache ist das, gerade wenn man so alleine ist."
Miteinander von Alt und Jung auf Augenhöhe
An diesem Nachmittag spürt man, dass Menschen hier nicht als altes Eisen abgestempelt werden. Im Hintergrund läuft leise elektronische Musik über einen Bluetooth-Lautsprecher. Es ist ein Miteinander von Alt und Jung auf Augenhöhe - das findet Renate bei den Veranstaltungen von Oll Inklusiv besonders gut: "Hier gibt es so viele junge Leute, die uns Alte betüdeln. Toll." Bärbel ergänzt: "Hier wirst du nicht wie im Pflegeheim betüdelt, ganz bestimmt nicht." Renate: "Ich finde, das ist auch eine Anerkennung."
Dass Menschen ab 60 nicht "oll" sind, beweist die Initiative immer wieder. Für ihr Engagement bekam Mitra Kassai schon verschiedene Preise. Jetzt im Sommer stehen noch einige Aktivitäten im Kalender der App. Alle sind schon ausgebucht - aber die nächsten Termine sind natürlich schon in Planung.
Auf der Internetseite von Oll Inklusiv finden sich alle Informationen zu der Initiative. Außerdem können sich dort alle Menschen ab 60, die selbst dabei sein wollen, die Oll-Inklusiv-App herunterladen.