Michael Sommer stellt große Literaturwerke mit Playmobil nach
"Effi Briest", "Faust", "Othello": Der Dramaturg und Literaturwissenschaftler Michael Sommer erklärt auf seinem YouTube-Kanal "Weltliteratur to go" zahlreiche literarische Klassiker in kurzen Filmen mit Playmobil-Figuren.
Herr Sommer, heute feiern die Playmobil-Figuren 50. Geburtstag. Seit wie vielen Jahren begleiten Sie schon Playmobil-Figuren?
Michael Sommer: Ich war ja in den 1980er-Jahren Kind, insofern bin ich Kunde der ersten Stunde. Aber wiederentdeckt habe ich sie vor zehn Jahren.
Und dann sind Sie als Theatermann, als großer Büchermann drauf gekommen, große Weltliteratur nachzustellen. Warum funktioniert es so gut?
Sommer: Playmobil-Figuren sind ja eigentlich Puppenspielzeug - und mit einem Puppenspielzeug kann man Geschichten erzählen. Kinder machen das ja in Rollenspielen: "Du bist der Polizist und ich bin das Krokodil." Auf diese Weise ist das kompatibel mit uns allen, weil wir alle diese Technik kennen, uns so etwas zu erzählen. Insofern bietet sich das total an.
Wie viele Playmobil-Figuren stehen Ihnen ungefähr zur Verfügung?
Sommer: Die letzte "Volkszählung" ist schon ein paar Monate her, aber es dürften zwischen 1.500 und 1.600 sein.
Es geht von der Bibel über die großen Weltliteratur-Klassiker bis in die Neuzeit, richtig?
Sommer: Ja, es gibt auch Werke der Gegenwartsliteratur, die ich zusammenfasse. Manchmal mache ich auch Sacherklärungen zur Literaturgeschichte, manchmal auch Erklärvideos für Firmen.
Viele Schülerinnen und Schüler nutzen das natürlich auch, um sich das gelbe Reclam-Heft zu sparen. Was ist das Schwierige daran, das so spielerisch zu machen und trotzdem inhaltlich richtig?
Sommer: Es muss inhaltlich richtig sein, und ich versuche, einen Zugang dazu zu schaffen, dass man tatsächlich auch das Buch in die Hand nimmt. Sich das Buch zu sparen, das ist natürlich nicht mein Anliegen. Mein Anliegen ist es, Leute mit den Geschichten in Verbindung zu bringen, sodass sie denken: "Wow, damit kann man etwas Lustiges machen." Oder: "Es hat etwas mit meinem Leben zu tun." Dafür bietet sich Spielzeug an, obwohl Hochkultur und Kinderzimmerfußboden eigentlich eine unpassende Kombination ist.
Auch Harald Schmidt hat damals in seiner Show das eine oder andere mit Playmobil-Figuren nachgespielt. War das Vorbild oder Inspiration?
Sommer: Harald Schmidt war ein Held meiner Jugend, und da habe ich bestimmt viel mitgenommen. Es war aber nicht so, dass ich mir gedacht habe: von Schmidt lernen heißt siegen lernen. Sondern es hat sich tatsächlich in der Theaterarbeit so ergeben.
Was ist Ihre Lieblingsfolge? Und was war eine besonders schwierige Folge?
Sommer: Sie hatten die Bibel erwähnt - das war schon hart, sich da durchzukämpfen, von der Genesis bis zur Apokalypse, aber auch lohnend. Es ist so ein bisschen wie einen Marathon laufen. Nächste Woche wird "Ulrike Maria Stuart" von Elfriede Jelinek veröffentlicht - ein Text, den man sich im Theater nicht unbedingt gönnen würde, wird jetzt mit Playmobil erschlossen.
Es gibt auch prominente Playmobil-Figuren, wie etwa Martin Luther, Mozart, Goethe, Bach oder Peter Maffay. Wie sieht es mit den literarischen Figuren aus? Sie müssen die wahrscheinlich eher nachstellen, als auf original Playmobil-Material zurückgreifen, oder?
Sommer: Genau, da ist noch Luft nach oben. Aber ich mache dem Playmobil-Konzern ein großes Kompliment, dass er solche kulturellen oder kulturgeschichtlichen Figuren herausgibt. Es gibt beispielsweise auch Fontane, aber in der Gegenwartsliteratur gibt es noch nicht so viel. Was ich mir total wünschen würde, wäre Lessing - das wäre für unsere Zeit eine echte Bereicherung.
Was ist der große Traum von Michael Sommer?
Sommer: Ein großer Traum wäre, wirkliche Weltliteratur abzubilden, aus jedem Land der Welt mindestens eine Geschichte. Das wäre toll.
Das Interview führte Philipp Schmid.