Liebesbeweis und Machtsymbol: Die Kulturgeschichte des Rings
Das Bedürfnis, den menschlichen Körper zu schmücken, reicht weit in die Vergangenheit unserer Kulturgeschichte zurück. Die Archäologin Yvonne Schmuhl spricht im Interview bei NDR Kultur über die Geschichte und Bedeutung von Ringen, Ketten und Schmuck im Allgemeinen.
Frau Schmuhl, wie weit reicht die Tradition des Ringes in der Menschheit zurück?
Yvonne Schmuhl: Die Geschichte des Fingerringes ist eigentlich nicht von der Geschichte des Schmucks zu trennen. Fingerringe hat es schon sehr, sehr früh gegeben. Schmuck gibt es schon seit etwa 100.000 Jahren. Die Menschen haben sich damals mit Farbe, mit organischen Materialien wie Federn, Muscheln und Knochen geschmückt. Man hat dadurch gezeigt, dass man ein toller Jäger ist oder hat um Partner geworben und gezeigt, zu welcher Gruppe man gehört. Das waren die Anfänge. Die Fähigkeit, einen Fingerring aus einem Schwein oder anderen Materialien herzustellen, wurde bei den Denisova-Menschen nachgewiesen - das ist eine Schwester vom Neandertaler. Der hat in Südsibirien einen Armreif aus einem Stein hergestellt, einem Chlorithoid - der ist durchscheinend grün und wirkt sehr modern. Das war vor etwa 40.000 Jahren; seitdem sind die Menschen auf jeden Fall dazu fähig. Der allererste Fingerring ist für die Zeit vor 25.000 Jahren bezeugt, und zwar im Westen von Tschechien. Das ist ein Lager von Jägern, das da ausgegraben wurde, und die Ringe sind aus Mammutelfenbein gefertigt. Da sind wir wieder bei dem Jagderfolg, der da gezeigt wird.
Sie sprechen von Stein und Elfenbein-Schmuck. Wann spielen die Metalle erstmals eine Rolle?
Schmuhl: Goldschmuck taucht zum ersten Mal im großen Maße im 5. Jahrtausend vor Christus auf. In einem Gräberfeld von Warna in Bulgarien ist Schmuck mit einem Gewicht von sechs Kilo ausgegraben worden. Ein einziger Mann ist sehr reich geschmückt gewesen - der muss eine bestimmte Rolle gespielt haben in dieser Gemeinschaft, die da bestattet wurde: Er hat 1,5 Kilo Goldschmuck an sich getragen. Aber es war kein Fingerring dabei.
Es gab den Ring des Jagderfolgs, heute haben wir den Ehering. Was wissen wir über die Funktion solcher Schmuckstücke in unterschiedlichen Phasen der Menschheit?
Schmuhl: Die Funktion variiert und lässt sich auch nicht vom Schmuck allgemein trennen. Man zeigt, wer man ist, was man glaubt, zu wem man gehört, oder welche Macht man besitzt. Manchmal steht so ein Ring auch als Insigne für ein gewisses Amt. Die Sache mit dem Ehering ist vor allem bei den Römer greifbar, als Trauring.
Diese Machtsymbolik, die wird auch weitergesponnen: im "Ring des Nibelungen", in "Der Herr der Ringe", Ringe der Macht, Ringe, die unsichtbar machen, die im Kampf gewinnen lassen. Das hat alles Original-Vorbilder durch so etwas wie einen Bischofsring oder einen Siegelring, richtig?
Schmuhl: Genau. Das ist vor allen Dingen für die Antike ganz gut überliefert. Da gibt es Ringe als Zeichen der Macht. Der Fischerring, der Ring des Papstes, symbolisiert auch in gewisser Weise sein Amt. Jeder Papst hat einen solchen Ring. Dann gibt es die Siegelringe: Die sind auch schon vor den Römern greifbar, aber auf jeden Fall bei den Römern sehr verbreitet. Man hat damit persönlich gestempelt, gesiegelt, unterzeichnet.
Das Magische, das Machtvolle taucht auch in der Antike auf. Da haben wir Ringe mit bestimmten Sprüchen, Ringe, die heilen können, Ringe mit magischen Zeichen und mit magischen Steinen. Es gibt zum Beispiel bestimmte Steine wie den Hämatit, dem man nachgesagt hat, dass er heilen kann. Hämatit ist der sogenannte Blutstein: Wenn man ihn bearbeitet, sieht dieses Wasser aus, als wäre es Blut.
Im Moment vertrauen viele Menschen wieder auf Mystisches und Übernatürliches. Gibt es da eine neue Tendenz, wieder zu solchen Ringen zu greifen?
Schmuhl: Hat die jemals aufgehört? Da bin ich keine Expertin, aber vieles, was ich aus der Antike kenne, taucht heute wieder auf, auch diese Steinsymbolik, die als Ring getragen wird. Auf römischen Eheringen ist sehr häufig ein Handschlag zu sehen. Das heißt Verbundenheit, Vertrag, und diese Geste taucht heute auch auf Ringen, auf Freundschaftsringen immer wieder auf. Aber die gibt es schon seit mindestens 2.000 Jahren. Ich denke, das hat nie nachgelassen, dass Magie helfen soll.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.