Kunst-Späti auf St.Pauli: Silke Thoss verkauft Machos statt Nachos
Mitten auf St. Pauli hat Silke Thoss ihren Kunst-Späti "Silky" eröffnet. Noch bis zum 28. September können Kunst-Fans hier Schokoriegel, Chipstüten oder Sektflaschen mit ironisch-politischen Botschaften kaufen. Alles aus Pappmaché.
Künstlerin Silke Thoss steht hinter der Theke ihres Spätis als sie von draußen hört "Ich hol uns noch eine Runde". Kurz darauf steht ein Feiernder in ihrem Atelier und will Alkohol kaufen. Das passiert ihr oft, erzählt sie. Erst auf dem zweiten Blick wird deutlich, dass im Kühlschrank kein Sekt oder Bier stehen und in den Auslagen keine Schokoriegel oder Salami-Stangen liegen. Von den Feuerzeugen bis zu den Lollies, die Frühstückscerealien und die Chips-Tüten: alles ist hier aus Pappmaché. Kaufen kann man trotzdem alles - nur halt zu etwas anderen Preisen.
Politische Botschaften auf Pappmaché
Wenn sich Reeperbahn-Besucher mal wieder aus Versehen in ihren Laden verirren, versucht sie nicht zu lachen. Sondern ihnen die Kunst zu erklären. "Sie kaufen dann eher nichts, aber wir haben im besten Fall ein gutes Gespräch." Von Montag bis Sonntag zwischen 16 und 20 Uhr ist Silke Thoss im Späti in der Seilerstraße und wartet auf Kundschaft. In Hamburg ist sie noch bis zum 28. September.
In ihrer Kunst geht es um politische Themen wie Feminismus - aber auf ironische Weise. Silke Thoss weist auf ihre Nachstellung einer Cornflakes-Packung. Diese ist pink und von der ausgedachten Firma "Oh Man", zu lesen ist der Schriftzug "Emancipation. On Hold." Daneben steht "Ladies Night" auf einer Milchtüte, ein Songtitel der Band "Kool and the Gang". Auf eine andere Tüte hat sie Machos statt Nachos gemalt - eines ihrer besonders beliebten Kunstobjekte.
"Spätis sind zu einer Kultur geworden"
Musikalische Hinweise verstecken sich vielerorts, schließlich ist sie selbst Musikerin und war in verschiedenen Bands: Es gibt eine Verpackung für Soul-Kekse, eine Chipstüte mit dem Gesicht von Elvis oder das Iggy Pop Bier.
Die Idee und vor allem die Zeit, Kiosk-Produkte anzufertigen, hatte sie während der Corona-Pandemie. Die Herstellung des kompletten Inhalts, der hier zu sehen ist, dauert etwa ein Jahr, erklärt Silke Thoss. Aber warum ein Kiosk?
"Ich wollte einen Späti machen, weil in Berlin in den letzten Jahren wahnsinnig viele Spätis aufgemacht haben, auch zum Ärgernis der Nachbarn. Es ist eine richtige Kultur geworden: man sitzt davor, trifft sich dort nach der Arbeit oder glüht schon mal vor für den Club. Da hab ich gesagt, ich mache auch einen", erzählt die Berlinerin. Gleichzeitig war ihr klar, dass ein Kiosk voller Schokoriegel, Chipstüten, Kühlschränke, Getränke sein muss - viel Arbeit also.
Gerade als sie mit der Produktion fertig war, kam der harte Lockdown. Den Raum für ihre Ausstellung hatte sie bereits gemietet, doch Museen und Galerien durften nicht öffnen. Spätis allerdings schon. "Das war mein Glück. Meine Kunst hat eingeschlagen wie eine Bombe. Ich hatte eine gute Pandemiezeit, mit vielen Gesprächen, sehr gesellig - natürlich alles mit Maske", erinnert sich Silke Thoss.
Spiel mit der Realität
Seitdem tourt sie mit ihrem Projekt durch verschiedene Städte. Hamburg ist die sechste Station. Silke Thoss spielt in ihrer Kunst mit den Gewohnheiten. "Es gibt Läden, die erkennt man von weiten, wie zum Beispiel einen Kiosk. Ich stelle eine Realität nach und wandle etwas Banales in etwas Bedeutungsvolles um. Die Botschaften erschließen sich erst auf den zweiten Blick", erklärt sie. Und weil ihr dies so gut gelingt, wird es ihr auch weiterhin passieren, dass Menschen einen Lotto-Schein bei ihr abgeben wollen oder ein Bier kaufen wollen.