Klimawandel: "Wir müssen optimistisch bleiben"
Sollten wir angesichts des Klimawandels resignieren? Auf keinen Fall, sagt die Klimaforscherin Friederike Otto im Philosophie-Podcast Tee mit Warum. Stattdessen sollten wir individuell und als Gesellschaft das Menschenrecht auf eine saubere Umwelt einfordern.
Wie geht Zukunft trotz Klimakrise? Friederike Otto hat dazu fundierte Vorschläge und Forderungen. Die gebürtige Kielerin forscht zu Extremwetter und dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft am Imperial College London. 2023 veröffentlichte die Klimaforscherin, Physikerin und promovierte Philosophin ihr Buch "Klimaungerechtigkeit. Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat". Einen Teil des Gesprächs mit Friederike Otto lesen Sie hier, das ganze Gespräch hören Sie im Philosophie-Podcast Tee mit Warum.
Wir haben in den vergangenen Folgen unseres Podcasts schon häufig über Untergangsszenarien gesprochen und uns die Frage gestellt, inwieweit das ein Problem oder vielleicht auch eine Ressource sein kann. Führt deiner Meinung nach eine apokalyptische Vorstellung von Zukunft im Bewusstsein von Klimakrise zu einem Wachrütteln oder eher zu Resignation?
Friederike Otto: Bei super-engagierten Individuen mag das zu wirklich dramatischer Motivation führen. Aber ich glaube, bei einem Großteil der Menschen führt es zu Resignation und zu diesem Gefühl: Es ist eh alles egal. Es ist wurscht, ob oder was ich wähle, weil es alles zu spät ist. Ich denke, das ist wahnsinnig gefährlich. Ich habe das Gefühl, dass das so ein bisschen das ist, was wir jetzt sehen: Dass das Erstarken der Rechten nicht stattfindet, weil die große Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich gegen Menschenrechte und für absolut menschenverachtende Politik ist. Aber weil eine relativ große Mehrheit das Gefühl hat, es nützt ja ohnehin alles nichts.
Wenn wir mit dem Gedanken in die Zukunft schauen, dass wir uns an den Klimawandel anpassen können: Siehst du da eine Perspektive? Welches sind die Dimensionen, die über die Anpassung des menschengemachten Klimawandels entscheiden würden?
Otto: Wir können uns zum Teil anpassen. All diejenigen, die jetzt schon aufgrund des Klimawandels gestorben sind oder ihre Lebensgrundlage verloren haben, die können sich nicht mehr anpassen. Aber wir können und wir müssen uns anpassen. Wenn wir es schaffen, damit aufzuhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen, wird es trotzdem einen Klimawandel geben. Selbst wenn wir das morgen schaffen, haben wir schon 1,3 Grad globale Erwärmung, die wir jetzt im Mittel haben, mit den Auswirkungen, die wir haben, vor allem dramatisch mehr Hitzewellen.
In den letzten zwölf Monaten hat im Durchschnitt jeder Bewohner dieser Erde 26 Extra-Tage von extremer Hitze erlebt, die er oder sie ohne Klimawandel nicht erlebt hätte. Daran müssen wir uns anpassen. Denn extreme Hitze ist tödlich. Im Jahr 2022 sind allein in Deutschland 8.000 Menschen an Hitze gestorben.
Diese Anpassung ist nicht für alle Menschen auf die gleiche Art und Weise möglich. Da gibt es verschiedene Ungleichheiten, die es nicht für jeden möglich machen, sich an solche extremen Wetterereignisse anzupassen.
Otto: Natürlich. Ich meine nicht, dass jeder einzelne sich anpassen muss und damit ist die Sache erledigt. Wir müssen uns als Gesellschaft anpassen. Da gibt es individuelle Sachen, die man machen kann, wie einfach dafür sorgen, dass man Wasser trinkt. Aber fast alles andere bedarf gesellschaftlicher Planung. Dass es öffentliche Gebäude gibt, die gekühlt sind, wo man hingehen kann. Dass Menschen überhaupt wissen, wie gefährlich Hitze ist. Und natürlich müssen wir unsere Städte umbauen, nicht nur zur Vermeidung zukünftiger Emissionen, sondern auch zur Anpassung. Denn solange wir weiter in Asphalt und Betonwüsten leben, werden wir uns nicht an diese Hitzeextreme anpassen können.
Wenn man dein Buch liest, dann sieht man, was alles falsch läuft. Du hast im Gespräch gesagt, es gebe eine Perspektive. Welche positiven Zukunftsaussichten kannst du uns mitgeben? Wo liegen die Chancen, vielleicht auch im Bewusstsein über die Klimakrise?
Otto: Ich denke, dass wir es uns absolut nicht leisten können, so zu tun, als wäre es zu spät, als hätten wir keine Option. Gerade wir, die im reichen Europa leben, mit viel Einfluss und viel Agency: Wir können es uns absolut nicht leisten, nicht optimistisch zu sein und nicht alle Möglichkeiten, die Welt besser zu machen, zu nutzen. Wir haben über ganz viel schon gesprochen, was wir machen müssen, um sowohl die Emissionen herunterzukriegen als auch uns an die Extreme anzupassen. Das führt dazu, dass wir unsere Städte verändern müssen, aber das erhöht die Lebensqualität aller.
Natürlich gibt es auch im viel kleineren Kreis Dinge, die man machen kann, zum Beispiel über Klimawandel nicht als Asteroid und Apokalypse sprechen, sondern im Rahmen von Menschenrechten. Dass es darum geht, Menschenrechte zu verteidigen: Das Recht auf eine saubere Umwelt - weil es die Lebensgrundlage ganz, ganz vieler Menschen betrifft - ein ganz wichtiges Recht ist, dass es zu verteidigen gilt.
Das Europa, in dem wir jetzt leben, ist auf den Werten der Menschenrechte gegründet worden. Egal, welches das Lieblingsmenschenrecht ist, für das man kämpfen möchte: Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, dafür zu kämpfen und dafür ein Bewusstsein zu erheben, wie wichtig es ist. Und zu zeigen, dass wir das recht komfortable Leben, das ein ganz großer Teil gerade von uns Europäer*innen hat, nur diesem konstanten Kampf für Menschenrechte verdanken.
Die Fragen stellten Denise M'Baye und Sebastian Friedrich. Das ganze Gespräch hören Sie im Philosophie-Podcast Tee mit Warum.