Jan Philipp Reemtsma zum Aus des Sozialforschungs-Instituts: "Man wird älter"
In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass das Hamburger Institut für Sozialforschung seine Arbeit beendet. Nun haben sich Jan Philipp Reemtsma und der Leiter des Instituts, Wolfgang Knöbl, zu den Hintergründen geäußert.
Ausgerechnet im Jubiläumsjahr, in dem man eigentlich das 40-jährige Bestehen des Instituts feiern wollte, verkündet der Gründer und Finanzier das Ende. Erst in einer betont knapp gehaltenen Pressemitteilung, aber mit einem weit größeren Echo, als Reemtsma wohl erwartet hat, und auch der aktuelle Institutsleiter, Prof. Dr. Wolfgang Knöbl, war überrascht: "Wir sind schon überwältigt von der Unterstützung die wir bekommen - sowohl von der Politik als auch von der Wissenschaft. Wir haben schon massive Anfragen und massive Unterstützungswünsche und von daher ist es irgendwie traurig, klar, aber auf der anderen Seite zeigt es doch auch, dass die Mitarbeiter hier eine sehr gute Arbeit geleistet haben."
Unabhängigkeit und Freiheit vom Hamburger Institut sichern
Direktor Knöbl geht 2028 in den Ruhestand, das mag ein Anlass für das Ende des Hamburger Instituts für Sozialforschung gewesen sein. Wichtiger aber ist dem Gründer Jan Philipp Reemtsma, dass die Unabhängigkeit und Freiheit seines Instituts anderswo nicht möglich sei - weder unter dem Dach einer Staatlichen Universität, noch unter Regie einer Forschungseinrichtung wie der Max-Planck-Gesellschaft, die er schon vor Jahren angefragt hatte: "Die Freiheit, die ich habe als Mäzen, es selbst zu tun was ich für richtig halte oder jemandem es zu übergeben und mit ihm den Etat festzulegen und ihm ansonsten die Freiheit zur Willkür der Gestaltung zu geben, finden Sie in anderen Konstellationen nicht. Das können Sie nicht perpetuieren. Das war aber, wenn sie so wollen, der Witz dieses Hamburger Instituts für Sozialforschung."
Scheinbarer Kontrast zur Stringenz
"Die Willkür der Gestaltung" - dieser Reemtsma-typische Satz steht in scheinbarem Kontrast zu der Stringenz, mit der das Institut über Krieg und Gewalt, über Folter, über den Holocaust, aber auch über Liberalität und den Rechtsstaat geforscht und veröffentlicht hat. Im eigenen Verlag, in der eigenen Zeitschrift, die nach der Hausanschrift "Mittelweg 36" benannt ist.
Was aus den Mitarbeitern, dem renommierten Archiv, der berühmten - auch von Studenten anderer Universitäten genutzten Bibliothek - werden soll, darüber ließ sich Reemtsma bei diesem, von ihm als aufgezwungen empfunden Pressegespräch, kaum etwas entlocken: "Worum es geht ist, mit dem, was erarbeitet worden ist, nicht leichtfertig umzugehen. Sie müssen es bei der allgemeinen Bemerkung belassen. Alles weitere wäre Spekulation und würde Gespräche, die zu führen sind präjudizieren und belasten. Das hat überhaupt keinen Sinn."
Grund für das Ende des Instituts ist das Alter
Sinnvoll daher ist der jetzige Termin der Verkündung: Vier Jahre bieten genug Zeit, Redaktion und Verlag abzuwickeln, und für möglichst alle Mitarbeitenden neue Stellen und Forschungsaufträge zu finden - schlimmstenfalls mit einem Sozialplan. Ein Ort für Archiv und Bibliothek muss gefunden werden - wo immer das sei, fügt der Mäzen und Gründer hinzu. Reemtsma bleibt bemerkenswert knapp. Wenn man ihn fragt, warum er das Ende jetzt so unabdingbar und entschlossen verkündet, meint er: "Der Zeitpunkt nähert sich - man wird älter. Man muss das Haus bestellen, um einen im Kern biblischen Ausdruck zu verwenden."
Für Gefühle an diesem Nachmittag bleibt kein Platz: Ob auch so etwas wie Wehmut mitschwingt, wenn jetzt das Ende am Mittelweg 36 verkündet wird, wurde Reemtsma gefragt. Seine Antwort: "Wehmut hinterher, noch sind wir in der Arbeit." Und dafür bleibt immerhin noch bis 2028 Zeit.