Jan Holze: "Das Ehrenamt ist ganz klar im Trend"
Jan Holze ist Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt zu fördern, vor allem im ländlichen Raum.
Herr Holze, gibt es einen neuen Trend hin zum Ehrenamt?
Jan Holze: Das Ehrenamt ist ganz klar im Trend. Knapp 29 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich, Tendenz steigend. Aber es gibt auch Herausforderungen und Probleme.
Was sind das für Probleme?
Holze: Zum einen können wir feststellen, dass es einen Trend zu mehr Engagement gibt, aber eher zu kurzfristigem Engagement. Das heißt, man hilft gern mit bei der Organisation des Vereinsfestes, beim Wintersingen oder bei der Sommersonnenwendenfeier. Aber wenn es darum geht, Leitungs- und Vorstandsfunktionen zu übernehmen - also dort, wo Verantwortung und viel Zeit drinsteckt -, gibt es immer weniger Menschen, die bereit sind, sich das anzutun. Es geht ja letztlich nicht nur darum, den Vereinszweck voranzutreiben, sondern darum, sich mit vielen bürokratischen Hürden herumzuschlagen.
Das deckt sich ziemlich genau mit dem, was die Menschen in unserer #NDRfragt-Umfrage geantwortet haben. Wie kann man dem begegnen?
Holze: Man kann konstatieren, dass der Normenkontrollrat Baden-Württemberg - und ich glaube, das ist durchaus repräsentativ für die ganze Bundesrepublik - festgestellt hat, dass sich ein mittelgroßer Verein 42 Tage pro Jahr mit Verwaltungstätigkeiten herumschlagen darf. Auf die Woche herunter gerechnet, sind das sechseinhalb Stunden pro Woche. Wenn man dann noch feststellt, dass über 70 Prozent der Vereine keine hauptamtliche Kraft haben, weiß man, dass das letztlich im Ehrenamt stecken bleibt. Hier kann man ganz klar nur die Forderungen erheben: entschlacken, weniger Bürokratie und auch bei neuen Vorhaben immer wieder schauen, welche bürokratischen Auswirkungen das auf die Vereine und damit auf die Ehrenamtlichen hat. Sonst wird es immer weniger Menschen geben, die Lust auf diese verantwortungsvollen Vorstands- und Leitungsfunktionen im Verein haben.
Unsere Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer sehen auch die Gefahr, dass Ehrenamtliche als Ersatz für bezahlte Arbeitskräfte ausgenutzt werden. Würden Sie da zustimmen? Gibt es Bereiche, wo Sie diese Sorge haben?
Holze: Ich würde das von einer anderen Seite her betrachten: Immer mehr Aufgaben, gerade in ländlichen Räumen, kommen auf die dort ansässigen Vereine zu. Das bringt natürlich auch die Frage der Bezahlung und der Finanzierung solcher Tätigkeiten mit sich und damit letztlich auch die Frage: Welche Rolle übernimmt der Staat und welche Rolle übernimmt die Zivilgesellschaft?
Würden Sie sagen, es fehlt oft an Wertschätzung für das Ehrenamt?
Holze: Wertschätzung kann man gar nicht genug vermitteln. Wenn wir uns vorstellen, dass die Menschen das ehrenamtlich - also unentgeltlich, am Gemeinwohl orientiert und freiwillig - unternehmen, kann man konstatieren, dass es gar nicht genug Wertschätzung und Anerkennungsformate gibt. Wobei ich festhalten will, dass es nicht nur um die Urkunde oder den Wimpel geht, sondern Wertschätzung kann sich auf ganz vielen Ebenen ausdrücken: dass man von Seiten der Behörden die besonderen Belange der Ehrenamtlichen berücksichtigt. Das kann sich in Schreiben vom Finanzamt ausdrücken, in denen man eben nicht herangeht, dem Ehrenamtlichen anhand von Paragrafen zu erklären, was er falsch gemacht hat, sondern ihm wertschätzend und anerkennend Lösungswege aufzeigt. Es gibt vielfältige Formate, wie man dem Ehrenamtlichen Anerkennung und Wertschätzung vermitteln kann.
Wenn ich jetzt Lust habe auf Engagement, aber ich weiß nicht so ganz, was und wo ich anfangen soll zu suchen: Wie finde ich ein passendes Ehrenamt?
Holze: Zum einen ist wichtig, mit welcher Motivation man sich ans Ehrenamt wendet. Das herauszufinden, gibt einem Orientierung. Sieht man sich eher im Bevölkerungsschutz oder eher im Sport? Dann gibt es Organisationen, die das Ganze organisieren und zum Teil im Internet Plattformen zur Verfügung stellen, wo man Orientierung findet, also: Wo kann man ein Ehrenamt ausüben in der hiesigen Region? Dann gibt es auch Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner im Rahmen von Freiwilligenagenturen, die in jedem größeren Zentrum sitzen, die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen vereint sind. Dort gibt es Möglichkeiten, sich persönlich vor Ort beraten zu lassen und das richtige Ehrenamt zu finden.
Das Gespräch führte Franziska von Busse.