Büste von Carl Philipp Emanuel Bach vor einer Wand mit einem Bild © picture alliance / ZB | Patrick Pleul Foto: Patrick Pleul
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AUDIO: Zeit für Aufklärung - Hamburg feiert die Musikerfamilie Bach (56 Min)

Bachfest Hamburg: Hommage an Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel

Stand: 18.04.2025 12:54 Uhr

Das Internationale Bachfest Hamburg 2025 lädt noch bis zum 20. April zu einer spannenden Entdeckungsreise in die aufklärerische Welt des 18. Jahrhunderts ein.

von Christiane Irrgang

"Carl Philipp Emanuel Bach strahlt ähnlich weit aus wie der Hamburger Hafen", sagt der Musikwissenschaftler Michael Maul. Und Carsten Brosda, der Hamburger Kultursenator, ergänzt: "Die Kulturstadt Hamburg ist sehr stolz auf ihren Hamburger Bach." Carl Philipp Emanuel war der dritte überlebende Sohn von Johann Sebastian Bach. Dreißig Jahre lang stand er als Hofcembalist in Diensten des preußischen Kronprinzen und späteren Königs Friedrich in Berlin; 1768 wurde er Nachfolger seines verstorbenen Paten Georg Philipp Telemann als städtischer Musikdirektor in Hamburg. Bis zu seinem Tod 1788 prägte er maßgeblich das Musikleben nicht nur der Stadt: Er war zu seiner Zeit der berühmteste Träger des Namens Bach und in ganz Europa bekannt.

Er stand im Austausch mit namhaften Künstlern und Denkern seiner Zeit. Er schrieb - noch ein Kind des Barock - aufregende Musik für eine neue Zeit. Kultursenator Brosda wünscht sich, "dass die kulturellen Schätze der Stadt nicht nur zum Beispiel im Komponistenquartier zu sehen sind, sondern dank der vielfältigen Musikszene auch in der ganzen Stadt lebendig gehalten werden. So trägt zum Beispiel das Internationale Bachfest dazu bei, Carl Philipp Emanuel Bach und die ganze Bach-Familie auch heute nicht zu vergessen, sondern die Musik, die großartige, die damals geschrieben und komponiert wurde, auch heute noch immer wieder neu erleben zu können."

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Porträt des Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach (Lithographie von Alfred Lemoine) © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images

Zeit für Aufklärung - Hamburg feiert die Musikerfamilie Bach

Das Internationale Bachfest Hamburg 2025 öffnet die Tore für eine Vision: Hamburg soll zur Bach-Stadt werden. mehr

Neue Ära: Internationales Bachfest Hamburg 2025

Im Frühjahr 2023 hatte der Dirigent und Organist Hansjörg Albrecht zum ersten Hamburger Bach-Fest eingeladen, das ausschließlich Carl Philipp Emanuel gewidmet war. 2025 startet es in eine neue Ära als Internationales Bachfest Hamburg. "Es gibt natürlich in Leipzig das große Bachfest, das sich auf Johann Sebastian bezieht", räumt er ein. Aber hier gehe es um den "hanseatischen Blick auf Johann Sebastian, der ja mehrfach in Hamburg war, als junger Mensch Johann Adam Reincken hat spielen hören, dann später vor Reincken selber noch mal improvisiert hat, der sich an Jakobi beworben hat, Johann Sebastian hat ja damit geliebäugelt, nach Hamburg zu kommen."

Ob er wirklich als bloßer Organist an St. Jakobi glücklich geworden wäre? Insofern tat Carl Philipp den weitaus besseren Griff, als er Musikdirektor aller fünf Hauptkirchen wurde - ein Posten, um den sich übrigens auch sein jüngerer, weniger bekannter Bruder Johann Christoph Friedrich, der "Bückeburger Bach" beworben hatte. Hansjörg Albrecht weiß auch, dass die Vermittlung dieser Musik "durchaus anstrengend" sein könne, aber sie mehr als wert sei, unter die Menschen gebracht zu werden. Dieser Meinung ist auch der Musikwissenschaftler Michael Maul, zugleich Intendant des Leipziger Bachfestes.

Reise in die Vergangenheit im Hamburger Komponistenquartier

Ortstermin im Hamburger Komponistenquartier. Sieben Ausstellungen sind hier unter einem Dach vereint, gewidmet Komponisten und einer Komponistin (Fanny Hensel), die in Hamburg tätig waren. Ingrid Grohmann, Vorstandsmitglied im Komponistenquartier, lädt zu einem Rundgang durch das Carl Philipp Emanuel Bach-Museum ein. "Die Gäste können sich an Filmen über sein Leben hier und an seiner Musik erfreuen, die sie hier hören können, und an Instrumenten, die wir extra für ihn hier aufgestellt haben - unter anderem einen Nachbau eines Clavichords. Es war früher sein Lieblingsinstrument."

Bachs berühmtes "Silbermannisches Clavier" ist allerdings nicht erhalten. "Man muss vielleicht dazu sagen", erklärt Wolfgang Haaß, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Komponistenquartiers, "mit Clavier wurden damals alle Tasteninstrumente bezeichnet. Dazu gehörte eben auch das Clavichord. Das ist ja ein sehr altes Instrument. Das war eigentlich zu Bachs Zeiten nicht mehr modern, aber es hatte für Bach einen ganz großen Vorzug: Im Gegensatz zum Cembalo, was Sie hier direkt daneben sehen, hat es einen modulationsfähigen Ton, das heißt, man konnte von leise bis mittellaut spielen. Und es war ja die Zeit der Empfindsamkeit, Gefühle haben jetzt eine ganz große Rolle gespielt, und die konnte er auf diesem modulationsfähigen Instrument sehr gut zum Ausdruck bringen."

Der private Carl Philipp Emanuel Bach

Das Museum ist kein originales Bach-Haus, wie man es etwa in Leipzig besuchen kann. Aber es zeigt nicht nur das einzige Gemälde von Carl Philipp Emmanuel Bach in voller Größe, sondern auch Kopien seiner Portrait-Sammlung: Er besaß über 100 Bilder von befreundeten Personen, etwa von seinem Verleger Johann Gottlob Immanuel Breitkopf oder dem Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock. Mit beiden Persönlichkeiten unterhielt Bach auch einen regen Briefwechsel.

Ingrid Grohmann und Wolfgang Haaß können auch über den privaten Carl Philipp Emanuel Bach erzählen: "Er war nicht sehr groß, aber ein bisschen untersetzt. Man weiß auch, er war ein guter Esser, und er hatte eine Frau, die der Musik nicht so sehr zugetan war. Aber sie soll eine hervorragende Köchin gewesen sein, die Tochter eines Weinhändlers aus Berlin. Er soll sehr, sehr gesellig gewesen sein, sehr humorvoll auch. Gäste wurden bestens bewirtet, und als Nachtisch, sozusagen, gab es dann oft auch Clavichord-Improvisationen von Carl Philipp Emanuel Bach. Da ist auch überliefert, dass er manchmal, wenn er in entsprechender Stimmung war, stundenlang an seinem Silbermannischen Clavier gesessen hat und frei improvisiert hat. Und die wenigen Gäste, die das hören konnten, waren immer total hin und weg."

Im Fokus des Jubiläums: Bereiche Bildung und Vermittlung

Carl Philipp Emanuel Bach Chor bei einer Aufführung © Swanhild Kruckelmann/Carl Philipp Emanuel Bach Akademie Hamburg Foto: Swanhild Kruckelmann
Der Carl Philipp Emanuel Bach Chor

Die Carl Philipp Emanuel Bach-Ausstellung ist regulär dienstags bis sonntags geöffnet von zehn bis siebzehn Uhr. Aber natürlich trägt auch das Hamburger Komponistenquartier mit eigenen Veranstaltungen zum Internationalen Bachfest bei. Und es feiert in diesem Jahr zehnten Geburtstag, verrät die Vorstandsvorsitzende Friederike von Cossel: "Jeweils übers Wochenende, Samstag, Sonntag, da gibt es ganz besondere Kurzvorträge, Kurzkonzerte, den ganzen Museumstag lang. Und dann gibt es immer ein Festkonzert, einen Vortrag, meistens noch am Sonntag ein Familienprogramm, immer ganz gebündelt. Das zieht sich von April bis Oktober."

Im Fokus des Jubiläums steht vor allem der Bereich Bildung und Vermittlung, "denn dieses Thema, Kinder und Jugendliche an Kultur möglichst niederschwellig heranzuführen, ist ein ganz wichtiger wesentlicher Punkt, in heutigen Zeiten noch viel mehr. Und so schön unsere Museen sind, bisher fehlte der Aspekt, dass man sie als Familien oder auch als Schulklassen so für das Grundschulalter erkunden kann."

"Ringen auch um eine neue Generation"

Bildung und Forschung sollen in der Bach-Stadt Hamburg künftig eine größere Rolle spielen, das finden auch Hansjörg Albrecht und Sophie Werkmeister, die Initiatoren des Bachfestes. Sie haben 2023 eine Akademie ins Leben gerufen. "Wir versuchen auch, bisher ohne finanzielle Unterstützung, so viel wie möglich Education als Konzerteinführung zu machen. Wir arbeiten daran, auch zusammen mit der Elbphilharmonie, dass wir nach Möglichkeit im Rahmen des Festivals oder darüber hinaus große Gesprächskonzerte in der Elbphilharmonie und Laeiszhalle zu großen Werken machen können. Es ist einfach dieses Ringen auch um eine neue Generation."

Die Schirmherrschaft für die Akademie hat der niederländische Alte Musik-Experte Ton Koopman übernommen, ein bekennender CPE Bach-Fan. Er findet: "Wir sollten einfach mal wieder Kinder sein und zurückgehen in diese Zeit, anstatt alles von Bruckner und Mahler aus zu sehen. Wenn der Vater Johann Sebastian Bach gesehen hat, was sein (Schüler und) Sohn gemacht hat, war er sicher ganz stolz. Er hat (das Gelernte) weiterentwickelt, aber er hat auch einen ganz eigenen Stil gefunden, eine eigene Sprache, die natürlich den Nachteil hatte, dass es eine Übergangsprache war. Mozart und Haydn haben es dann übernommen, und dann ist Carl Philipp ziemlich schnell verschwunden, aber glücklicherweise wieder zurückgekommen. Und allmählich hört man mehr und mehr von seiner Musik."

Internationales Bachfest entdeckt neue Wege und Orte

Carl Philipp Emanuel Bach war ein Freigeist. Ähnlich wie zuvor in Berlin fiel es ihm auch in Hamburg leicht, Freundschaften mit anerkannten Wissenschaftlern, Philosophen, Dichtern und Theologen der Aufklärung zu schließen, unter ihnen Gotthold Ephraim Lessing, der Verfasser der "Hamburgischen Dramaturgie", und seine Musiksprache, der "empfindsame Stil", ist von der Aufklärung inspiriert. Auch das war ein Thema beim Internationalen Bachfest Hamburg. Dazu trat der Musikwissenschaftler Michael Maul bei einem Gesprächskonzert in einen Dialog mit dem Hamburger Kultursenator Carsten Brosda. 

Hansjörg Albrecht hat dafür gesorgt, dass das Thema Aufklärung sich auch über das Gesprächskonzert hinaus im Programm des Bachfestes niederschlägt: "Wir gehen ins Santa Fu mit Bach, was natürlich Hardcore ist, an einem Ort, wo wirklich harte Schwerverbrecher sitzen und man aber irgendwie das Gefühl hat oder die Hoffnung, dass man mit der Musik der Bach-Familie vielleicht ein bisschen was anrühren kann. Dann gibt es ein Singalong mit Bach in der Sankt Pauli-Kirche, wo wir hoffen, dass wir auch Menschen von Sankt Pauli, vielleicht sogar Prostituierte, vielleicht sogar Obdachlose mit hin bekommen."

Großprojekt Bach-Stadt Hamburg im Fokus

Hansjörg Albrecht im Porträt © Michaela Kuhn/Carl Philipp Emanuel Bach Akademie Hamburg Foto: Michaela Kuhn
Hansjörg Albrecht ist Dirigent, Organist und Cembalist. Er ist seit 2023 Künstlerischer Leiter des Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chors Hamburg.

Das Internationale Bachfest ist das Eine, das Großprojekt Bach-Stadt Hamburg das Andere. Hansjörg Albrecht und seine Mitstreiterin haben sich viel vorgenommen, und ihr Leipziger Kollege Michael Maul weiß, worauf es dabei ankommt. "Es braucht, glaube ich, erst einmal eine programmatische Idee. Das sage ich aus der Perspektive des Bachfest-Intendanten in Leipzig, der einfach weiß, was authentische Orte ausmachen. Authentizität ist ein wichtiges Wort, und das muss jetzt nicht unbedingt ein Ort sein, wo Johann Sebastian Bach selber gewesen ist. Aber selbst das bietet ja Hamburg und bietet natürlich eben auch den Lebens- und Wirkungsort von Carl Philipp Emanuel Bach, aber dazu eben auch noch die Authentizität in der inhaltlichen Idee. Wenn das dem Festival gelingt, dann, würde ich sagen, schaut die Bachwelt nach Hamburg."

Aber was soll konkret in den nächsten Jahren in Hamburg entstehen? Hansjörg Albrecht denkt am liebsten groß: "Wir haben zum Beispiel vor, und da sind wir auf der Suche nach Geldgebern, eine ganz regelmäßige Reihe in der Elbphilharmonie zu installieren. Leipzig hat die Thomaskirche und den Thomanerchor, der bis auf die Ferienzeit fast jedes Wochenende das Hauptrepertoire, sprich Bach, singt. Das gibt es hier in Hamburg nicht. Und unser Traum wäre, dass man einmal im Monat eine Veranstaltung im Kammermusiksaal der Elbphilharmonie hat, wo aus der Stadtgesellschaft, Politik, Kirche, Philosophie et cetera Menschen sich dazu äußern können, wo man auch hinterher mit dem Publikum ins Gespräch kommt. Aber wir wissen wohl, dass all das am Anfang jetzt gerade nur kleine Tropfen sein können."

Bach-Netzwerk - ganz im Sinne der Hanse

Sophie Werkmeister wünscht sich ein anderes Image für das Bachfest: "Eins, was Carl Philipp Emanuel Bach im Zentrum hat, was aber auch das Maritime und Frische dieser Stadt und die Aufbruchstimmung dieser Stadt transportiert. Wir sind der Überzeugung, dass wir dringend auch auf ein Netzwerk angewiesen sind. Wir wollen ganz viele Kulturpartner an Bord bekommen, andere Ensembles, die mit uns an dieser Vision arbeiten."

Doch Hansjörg Albrechts Ambitionen gehen sogar über die Hamburger Veranstalter und Kulturschaffenden hinaus. Er möchte ein Netzwerk gründen. "Ganz im Sinne der Hanse. Carl Philipp hat mit einem großen Vertriebsnetzwerk seine Noten an über hundert Orte von London bis Moskau und Südafrika geliefert, über verschiedenste Kontakte. Und ein Traum wäre natürlich - vielleicht wird es ja mal ein Europa- Visionsprojekt - an diese Orte mit Musik von Carl Philipp und seinen Brüdern und dem Vater zu gehen, nicht mit erhobenem Zeigefinger, aber schon um etwas von diesem Hamburger Geist als Tor zur Welt und diesen Idealen der Aufklärung auch dahin zu bringen. Da ist noch so viel möglich. Und wir glauben, dass wir mit unseren Aktivitäten dann eine ganze Menge dazu beitragen können."

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Welt der Musik | 10.04.2025 | 18:00 Uhr

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