Initiative möchte AKW Brokdorf als Museum nutzen
Das AKW im schleswig-holsteinischen Brokdorf wartet auf seinen Rückbau. Doch könnte es nicht auch erhalten bleiben - als Denkmal des Atomzeitalters und Ort sozialer Bewegungen?
Der Brokdorfer Karsten Hinrichsen wohnt direkt am Elbdeich, der vom Regen ganz aufgeweicht ist. Von hier bis zur Reaktorkuppel sind es knapp 1,7 Kilometer Luftlinie. Hinrichsen lebt seit gut vier Jahrzehnten hier. Der 81-Jährige ist ein Urgestein der Anti-Atomkraft-Bewegung. Als "Rebell von Brokdorf", wie er oft genannt wurde, führte er einige der größten Demos gegen die Kernkraft in Deutschland an. Sein Schwager, ein Rechtsanwalt, hatte ihm zum Kauf des Hauses geraten. "Der wusste, dass man nur klagen kann mit Aussicht auf Erfolg, wenn man wirklich bedroht ist von einer Technologie", erzählt Hinrichsen. "Und wenn man 60 Kilometer entfernt in Hamburg wohnt, hat damals niemand geglaubt, dass da jemals was passieren könnte."
Initiative will AKW als Denkmal oder Mahnmal erhalten
Das AKW Brokdorf ist 1986 ans Netz gegangen, im Jahr der Tschernobyl-Katastrophe. Karsten Hinrichsen hat dagegen geklagt - und nach 13 Jahren und zahlreichen Instanzen verloren. Das Kraftwerk ist seit mehr als zwei Jahren abgeschaltet. Seitdem steht es da mit seiner moosgrünen und von Weitem sichtbaren Kuppel - ein stiller Riese. Was geht jemandem wie Karsten Hinrichsen durch den Kopf, wenn er heute auf das AKW schaut? "Gar nicht mehr so viel, weil das für mich Schnee von gestern ist. Es ist, als würde da etwas stehen, was mir nahe ist, aber vor dem ich keine Angst mehr habe."
Das AKW Brokdorf soll zurückgebaut werden, vielleicht kommt danach ein Batteriespeicher. Eine Genehmigung für den Abbau gibt es noch nicht. Das Kraftwerk zu erhalten und umzunutzen - davon ist eher nicht die Rede. "Brokdorf Akut", die Initiative von Karsten Hinrichsen und anderen, würde zumindest die Kuppel gerne erhalten, für ein Museum. Als Denkmal oder Mahnmal, je nachdem, wie man auf die Sache schaut.
Zwiegespaltene Meinungen bei den Anwohnern
Die Brokdorfer, die man an diesem Morgen an der Dorfstraße trifft, sind bei solchen Plänen zwiegespalten: "Das wäre nicht gut, das sollte wieder eine grüne Wiese werden", sagt ein Anwohner. Ein weiterer ergänzt: "Das Geld kann man auch für andere Sachen ausgeben." Ein anderer findet: "Es gibt ja auch andere Gedenkstätten aus schlechten Zeiten in Deutschland, und am Ende erinnert es vielleicht einen immer daran, was man besser machen kann."
Die zuständige Denkmalschutzbehörde will sich dazu erst einmal nicht äußern. Sie wäre zusammen mit dem Landesamt für Denkmalpflege zuständig. Laut Landes-Denkmalliste wäre das AKW dann das dritte Denkmal in Brokdorf, neben der Kirche und einem Wohnhaus.
"Irgendeiner muss das zahlen - wir nicht!"
Jörg Schmidt äußert sich aber gerne zu dem Thema. Seit vergangenem Sommer ist der Landwirt Bürgermeister von Brokdorf. Lange war Schmidt auch Vorsitzender des Bauausschusses. Er erzählt zum Beispiel von Ideen, aus der Kuppel einen Konzertsaal zu machen. Seine Meinung dazu ist klar: "Ich will da keine Leute reinschicken, die da stundenlang irgendwelchen Geigen und Violinen zuhören. Ich bin als Feuerwehrmann oft genug da gewesen und ich weiß, dass das ganz sicher war. Aber die Wände und das alles - wer weiß, was da nicht doch noch drinsteckt. Es ist nicht denkbar, dass das stehen bleibt, und wenn es als Denkmal bestehen bleiben soll, dann muss das irgendeiner zahlen - wir nicht!"
Anti-AKW: Ein 40 Jahre dauernder Kampf
Im Wohnbereich von Karsten Hinrichsen brennt der Kamin. Daneben hängt eine große Fotoleinwand. Auf der Luftaufnahme ist die Menschenkette zu sehen, die im Jahr 2010 vom AKW Brunsbüttel bis zum AKW Krümmel reichte - 120.000 Menschen. Im Hintergrund: das AKW Brokdorf und davor ein aus heutiger Sicht winziges Windrad. Es zeigt auf das AKW und wirkt dabei fast ein bisschen trotzig. Es gehörte Karsten Hinrichsen und seiner Frau, die es auf den Acker eines befreundeten Landwirts stellten. Diese Fotoleinwand war ein Geschenk seiner Schwester. "Ich hab's gleich hier aufgehängt, weil es ganz viel über meine letzten 40 Jahre berichtet: Anti-AKW, Windmühle, mein Häuschen kann man da hinten auch sehen, wenn man genau hinguckt. Ganz viele Gleichgesinnte - das ist übrigens das allerwichtigste, wenn man so einen Kampf anfängt."
Was, wenn das AKW eines Tages einfach weg wäre? Karsten Hinrichsen sagt, dass er selbst nicht darauf bestehen würde, die Kuppel zu erhalten. Aber ein Museum, das fände er gut und wichtig: "Das gibt's ja auch in München für Flugzeuge, und in Berlin gibt's auch ein großes Museum, wo viele Technologien in ihrem Werdegang dargestellt werden. Ich finde, die Atomtechnologie verdient es auch, kommenden Generationen deutlich zu machen, was das war, wie es funktioniert hat und warum es so viele Leute gab, die das nicht gewollt haben."