"Ich lasse es drauf ankommen" - Gespräch mit Bestsellerautor Wolf Haas
Der Bestsellerautor Wolf Haas erzählt im Interview von seinem Umgang mit dem Erfolg, von seinen allmorgendlichen Versuchen, nicht Wolf Haas zu sein, und von seiner Skepsis gegenüber vermeintlicher Authentizität.
Als Wolf Haas vor Jahren angefangen hat, an "Wackelkontakt" zu schreiben, ist er "von vornherein davon ausgegangen, es wird nicht funktionieren". Viel zu verschlungen schien ihm die Geschichte über den Puzzle-süchtigen Trauerredner Franz Escher, der ein Buch über den Mafia-Killer Elio Russo liest. Denn Elio Russo liest ein Buch über den Trauerredner Franz Escher, der ein Buch über Elio Russo liest - und so weiter. Die Geschichten befeuern sich gegenseitig, heizen sich auf und werden schließlich zu einer Geschichte - einer hochkomischen!
Beim Schreiben dieses Buches, gesteht Wolf Haas im Gespräch, habe er sich schon manchmal Sorgen um seine geistige Gesundheit gemacht: "Aber es war so unterhaltsam, dass ich mir dachte, ich lasse es drauf ankommen."
Herr Haas, wie schreibt es sich eigentlich mit diesem Etikett des Bestsellerautors? Befreit das, weil Sie wissen, dass es die Menschen interessiert - egal was Sie schreiben? Oder hemmt das wegen der großen Erwartungen?
Wolf Haas: Ich versuche beim Schreiben zu vergessen, dass ich ein Autor bin. Ich finde diese Haltung, dass man da zu sehr auf seinen Ruf achten würde, absolut schädlich für das Schreiben. Deshalb fange ich auch immer ganz früh, kaum dass ich mich aus dem Bett bewegt habe, an zu schreiben, bevor ich zu genau weiß, wie ich heiße und so weiter. Aus einer unbewussten Haltung heraus zu schreiben, das ist für mich die beste Herangehensweise. Hinterher kann man ja schauen, ob das was wert ist, was man geschrieben hat.
Beim Lesen Ihres Romans "Wackelkontakt" habe ich mir immer wieder die Haare gerauft und mich gefragt: Wie kommt der Haas auf solche Geschichten und auf solche Figuren?
Haas: Ich bin selbst manchmal überrascht, wie es am Schluss wird, weil ich immer anfange mit der Absicht, ein ganz einfaches Buch zu schreiben, das nicht irgendwie spektakulär ist. In dem Fall war ich fasziniert von einer wirklich einfachen Idee: Ich wollte ein Buch schreiben, wo nach ein paar Seiten die Romanfigur ein Buch zur Hand nimmt und zu lesen beginnt. Ich dachte mir, das wäre ein schöner Effekt, wenn man als Leser dieser Romanfigur über die Schulter schauen und mitlesen kann, so wie man in der Straßenbahn die Zeitung des Sitznachbarn mitliest. Diese Irritation, dass man sich als Leser fragt: Was ist denn hier los? Jetzt habe ich gerade angefangen, einen Roman zu lesen, und jetzt bin ich wie versehentlich in das andere Buch reingerutscht - das hat mir so eine diebische Freude bereitet, weil ich mir vorgestellt habe, dass man sich beim Lesen fragt, ob man einen Fehldruck bekommen hat. (lacht)
Bei all diesen Fäden, die Sie in Ihren Romanen spinnen, wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen? Sind Sie ein akribischer Zettelkasten-Schreiber, dass Sie hier mal Notizen machen und da mal eine Idee festhalten? Und am Ende hängen Sie das alles an eine Pinnwand und setzen dann alles zusammen wie ein Fahrradschrauber?
Haas: Nein. Ich weiß zwar, dass dieses Buch so wirkt, als hätte ich mir einen großen Plan an die Wand gehängt. Aber in Wahrheit war es genau umgekehrt: Ich habe einfach drauflos geschrieben mit der fast sicheren Erwartung, dass das nicht gehen wird, dass das ein sinnloses Projekt wird. Und unterwegs, so wie wenn man ein Computerspiel spielt, wo man auf eine immer schwierigere Ebene gerät, habe ich immer weiter geschrieben. Das war wirklich ein sehr lustvolles Schreiben, weil mir immer wieder etwas zugefallen ist an den Stellen, wo ich mir dachte, dass es nicht weitergeht - und dann ging es doch wieder weiter. Und plötzlich war ich fertig, ganz ohne richtigen Plan.
Werden Sie nicht auch manchmal verrückt über Ihre Figuren, wenn die anfangen, so ein Eigenleben zu entwickeln?
Haas: Mit dem Buch war es schon so, dass ich mir manchmal Sorgen um meine geistige Gesundheit gemacht habe. (lacht) Aber es war so unterhaltsam, dass ich mir dachte, ich lasse es darauf ankommen. Eigentlich ist das das Schöne am Schreiben, dass man überrascht wird, wo der Weg hinführt. Ich würde kein Buch schreiben wollen, wo ich schon vorher weiß, dass es so und so wird, weil das eigentlich eine langweilige Situation ist, als hätte man ein Kinder-Malbuch, wo schon die Konturen vorgezeichnet sind, und man muss nur noch ausfüllen. Das ist schon lustiger, wenn man selbst Überraschungen beim Schreiben erlebt.
Das Gespräch führte Jürgen Deppe. Das komplette Interview hören Sie oben auf dieser Seite - und in der ARD Audiothek.