Hamburgs Stadtschreiberin: Christine Rainer im Porträt
Wohnen in Hamburg (kostenlos), sich durch die Stadt treiben und inspirieren lassen - und dann seine Gedanken in Worte fassen. Das machen die Stadtschreiberinnen und Stadtschreiber! In diesem Jahr kommt sie aus Österreich: Christine Rainer heißt sie und schreibt noch bis Ende Juli in und über Hamburg - mit einem wunderbaren Ausblick.
Christine Rainer war die diesjährige Gewinnerin des mit 4.500 Euro dotierten Stipendiums. Und während ihre Vorgängerin Franziska Schubert im letzten Jahr noch in der Seemannsmission unterkam, darf Christine Rainer in diesem Sommer hoch oben über der Elbe in einer riesigen Villa an der Elbchaussee schreiben und leben: Gediegen, mit einer traumhaften Terrasse mit Blick über den Hafen und den ständig fließenden Elbstrom - schöner kann man kaum wohnen!
Faszination Weitblick
"So ein bisschen habe ich manchmal das Gefühl, als ob jemand dann die Tapete hoch lässt und sagt: Alles nur Fake! Das kann gar nicht wahr sein! Weil es auch so ein ungewöhnlicher Blick hier ist!" sagt Rainer. Sie kommt aus Innsbruck, "beheimatet in einer tiefen Tiroler Alpenfalte" wie sie in ihrer Bewerbung schreibt. Diese typische Hamburger Aussicht verdankt sie der Toepfer Stiftung, die das Projekt Stadtschreiberin unterstützt und die eine Wohnung in der frisch renovierten Elbvilla zur Verfügung stellt. Für die meisten Besucher ist Hamburg vor allem die Stadt, die am und mit dem Wasser lebt. Christine Rainer haben aber zwei ganz andere Dinge in den Bann gezogen: "Am meisten fasziniert mich die Weite, dass man weit sehen kann, und die Bäume. Diese riesigen Bäume, diese majestätischen, die ganz unterschiedliche Rindhautelemente haben, von ganz glatt bis über tiefe Falten. Ich staune jeden Tag und muss bei fast jedem Baum stehen bleiben. Und dass die Pflanzen hier so viel größer sind, so viel mehr blühen und alles einen Tick größer ist als in den Alpen."
Schriftstellerin aus Liebe zur Sprache
Schriftstellerin wollte sie schon mit sechs Jahren werden, geschrieben hat sie, seit sie schreiben kann. Aber erst 2013 hat Christine Rainer erste Lyrik veröffentlicht. Sie unterrichtet Deutsch als Fremdsprache, hat Sprachwissenschaft studiert, um Sprache wirklich zu begreifen. Poesie ist ihr ein großes Anliegen. Hier in Hamburg bietet sie in mehreren Veranstaltungen sozusagen Poesie to go an: ihre Poesie-Ambulanz. "Ich lade die Leute ein, mit mir zu sprechen, mir zu erzählen, was ihnen gut tut, wo sie gerne sind, welche Farben sie gerne mögen, welche Geräusche und während die Menschen das erzählen, schreibe ich einen Text mit der Hand und diesen Text dürfen die Leute dann mitnehmen, wenn sie möchten." Das kommt gut an. "Meistens ist es so, dass die Leute mir später sagen: Den Text haben sie immer noch, weil die meisten sehr berührt sind, dass jemand nur für sie persönlich diesen Text schreibt, den sonst niemand hat."
Wortspuren von Hamburg bis in die Alpen
Christine Rainer beobachtet zurückhaltend, aber sehr genau. Die Hamburger erlebt sie als überaus freundlich - bis hin zu den Busfahrern, die in ihrer Heimat wohl ungeduldiger sind als hier! "Die meisten warten, wenn die Leute einsteigen, bis die wirklich sitzen - das ist etwas, was ich nicht so kenne - und natürlich gibt es sehr viele unterschiedliche Menschen, also die Vielfalt, die Diversität ist ganz anders - oder ich nehme sie anders wahr." Noch bis Ende Juli lässt sich Christine Rainer hier im Norden von der Weite und den Menschen inspirieren, bevor sie zurück in ihre Alpenfalte klettert - voller neuer Eindrücke und mit Wortspuren, die sie hier hinterlässt.
Live: In der Kunsthalle und in der Sternwarte
Zu erleben ist die diesjährige Stadtschreiberin Christine Rainer unter anderem am 23. Juni in der Galerie der Gegenwart in der Kunsthalle oder am 30. Juni in der Sternwarte Bergedorf. Ihren Blog mit Hamburg-inspirierten Texten kann man auf Stadtschreiberin.de verfolgen.