Greifswalder schießt eines der besten Naturfotos Europas
Jan Leßmann ist in diesem Jahr auf Platz zwei der besten Naturfotografen Europas gelandet. Im Gespräch erzählt der Greifswalder, wie das Bild entstanden ist und warum es zwei Urheber gibt.
Seit 2001 zeichnet die Gesellschaft für Naturfotografie jedes Jahr die besten Naturfotografien aus. In diesem Jahr gab es um die 18.000 eingesendete Fotos. Bewertet werden Innovation, Kreativität, neue Techniken, Mut, das Ungewöhnliche zu fotografieren und dergleichen mehr.
Sie haben in diesem Jahr den zweiten Platz belegt. Mit was für einem Foto - können Sie das beschreiben?
Jan Leßmann: Es ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Es geht um einen Flamingo und um ein Spinnennetz. Beides ist in dem Bild zu sehen: im Hintergrund ein unscharfer Flamingo, und erst auf den zweiten Blick erkennt man ein Spinnennetz, das vor dem Flamingo ist und und in dem sich ein Wassertropfen gefangen hat. Das ist zufälligerweise genau auf dem Auge, und so sieht es aus, als hätte der Flamingo ein Spinnennetz-Auge.
Wo haben Sie denn Flamingo und Spinnennetz gleichzeitig gefunden?
Leßmann: In Südfrankreich, in der Camargue, und zwar am ersten Tag, als wir dort angekommen sind. Wir hatten nur einen Tag, an dem es neblig war, sonst steht Südfrankreich ja für Sonnenschein. Aber da hatten wir mal Nebel, und deswegen hat sich da ein bisschen Tau im Spinnennetz gefangen.
Das Bild ist interessanterweise zusammen mit einem Kollegen von Ihnen entstanden. Sie waren also in der Camargue und haben gesagt: Es ist neblig - da kann man bestimmt gute Naturfotos machen? Oder wie ist das abgelaufen?
Leßmann: Genau. Wir sind beide professionelle Naturfotografen, deswegen müssen wir morgens aufstehen und Naturfotografie machen, was ein großes Privileg ist. Wir sind losgegangen, und dann ist das ziemlich spontan entstanden. Das Besondere an dem Foto ist, dass es zwei Autoren hat: Hermann Hirsch und mich, Jan Leßmann, denn wir haben diese Idee, die hinter dem Bild steckt, zusammen entwickelt. Wir standen davor, haben das Spinnennetz gesehen, dann den Flamingo, haben versucht, das zusammenzutun, mit unterschiedlichen Objektiven gearbeitet. Hinterher hat eine Person auf den Auslöser gedrückt, aber die Idee dahinter ist zusammen entstanden, und da fanden wir es fairer, wenn da beide Namen darunter stehen.
Ich verstehe, dass Sie für den richtigen Winkel ein bisschen herumexperimentiert haben. Aber ich an Ihrer Stelle hätte Sorge, dass der Flamingo mir abhaut...
Leßmann: Das ist auch so. Er ist in Bewegung, und man muss auch in Bewegung bleiben. Deswegen wird da auch kein Stativ benutzt. Der frisst da ganz gemütlich, und dann muss man sich das alles im Fluss vorstellen, wie man diesem Flamingo hinterherläuft, gucken, wo das Spinnennetz ist und sich gegenseitig Tipps gibt. Das ist auf jeden Fall eine kleine Action-Aufnahme.
Wie viel ist an so einem Foto konstruiert und wie viel ist tatsächlich der Moment der Vater des Fotos?
Leßmann: Ich würde sagen Hälfte Hälfte. Man braucht natürlich den Moment vor Ort. Man braucht einen Flamingo, und man braucht das Spinnennetz. Aber ganz viel ist die Idee. Diese Idee ist sogar viel früher entstanden: Vor zwei Jahren waren wir schon mal in Slowenien und haben dort Braunbären fotografiert, und da war es eine Mücke, die vor dem Bärenauge war. Irgendwann sieht man auch andere Sachen, bei denen man weiß, dass es cool aussehen könnte.
Wie suchen Sie eigentlich die Orte, an denen Sie fotografieren?
Leßmann: Das ist eigentlich ganz einfach: Es ist ein bisschen so, als würde man sich das Urlaubsziel aussuchen. Wo ist es schön? Wo sind Tiere? Wo kann man Sachen fotografieren. In der Camargue ist es einfach sehr schön, und deswegen wollten wir da hin.
Sind Sie als erfolgreicher Naturfotograf schon dabei, auch hier und da Künstliche Intelligenz einzusetzen?
Leßmann: Das ist auf jeden Fall ein spannendes Thema. Es ist nichts mit KI hinzugefügt worden, aber was komplett in der Naturfotografie angekommen ist, ist so etwas wie Entrauschung, Bildverbesserung, und das wird dann irgendwie mit KI gemacht.
Das Gespräch führte Keno Bergholz.