Glosse: Das Sofa - eine halbliegende Betrachtung
Entspannung, Freizeit, Ruhe - all das suchen wir auf dem Sofa. NDR Redakteur Ocke Bandixen macht sich seine Gedanken über diese deutsche Art der mehrsitzigen Gemütlichkeit. Eine Glosse.
Ein Ziel aus Plüsch. Ein Tagesbett. Eine Abendruhestätte. Füße hoch. Arbeit weg. Das Sofa. Der Ort. Das plüschgewordene Ausatmen nach großer Mühe.
Ja, klar. Man kann auch gar nicht sitzen. Oder gleich liegen. Laufen. Stehenbleiben. Stehengelassen werden.
Sofasitzen als Synonym für Nichtstun
Sofasitzen ist das Gegenteil von Aktivität. Wer hier ist, muss nicht viel mehr. Historisch gesehen hat dieses Möbelstück einen langen, aber weichen Weg hinter sich. Von der Sitzbank mit Kissen hin zur dreiteiligen Polstergarnitur und Wohnlandschaft und dem Modulsofa. Eine mit Teppichen überlegte Erhöhung auf dem Boden - zählt das schon?
Chaiselongue und Co. erobern die Kemenaten
Im arabischen Raum war das schon vor tausenden Jahren üblich. Im alten Rom speiste man weich im Liegen. Aber so richtig kommt das Sofa in den Blick und in die Kemenaten und Säle erst im 18. Jahrhundert. Ottomane, Chaiselongue, Recamière. Manchmal mit halber Rückenlehne, so zum nebenbei ablegen, wenn Sire beim Regieren mal kurz innehalten wollte.
Das Sofa - deutsche Art der mehrsitzigen Gemütlichkeit
Richtig durchgesessen wurde das Sofa aber erst in der Moderne: Wohnzimmer. Auslegeware. Polstersitzgruppe. Ein Feierabend-Möbelstück. Nicht die Hängematte, das Sofa ist doch das Möbelstück unserer Freizeitgesellschaft. Dabei ist Sofa natürlich nicht gleich Sofa. Klassisch natürlich die Garnitur-Kombination 3-2-1. Ein Countdown zum Ablegen, eine sehr deutsche Art der mehrsitzigen Gemütlichkeit. Eine Polstergruppe ohne Menschen - schon eine Inszenierung, als begegneten sich die Möbel zufällig selbst bei einem Stehempfang. Mit ummanteltem Sprungtaschenfederkernen und rückenstraffender Stoffbespannung im unteren Sitzbereich. Hier flegelt oder lümmelt man sich nicht hin, hier nimmt man Platz. Die Bortenschabracke oder Schabrackenborte mit Fransen verhindert den Blick darunter. Auch bei Familie Hempel.
Vom Palettensofa zur Eckcouch
Bei jüngeren Menschen wurde das Sofa in den 1970er-Jahren tiefer gelegt: bodennahe Palettensofas oder Matratzen, wenn man nicht sowieso gleich auf dem Boden gesessen hat. Aber eigentlich zugenommen - und nimmt nicht alles immer nur zu? - hat dann aber die reine Polsterausdehnung in den 70ern: die gesetztere Wohnbehaglichkeit der guten Stube. Das Ecksofa kam um die historische Biegung. Das Halbrunde, in den 1980ern. Wenn man es bei sich hinstellen kann. Da sitzt man dann wie bei "Wetten dass?" und wartet auf den Einsatz. Wetten, dass man an der Ausrichtung dieses Möbelstückes wusste, wo der Fernseher stand?
Keine Sitcom ohne Sofa im Mittelpunkt
Erstaunlich ist ja, dass in der sogenannten Sitcom auch immer ein Sofa im Mittelpunkt des Geschehens steht. Und man selbst, sitzend, sieht Menschen beim Sitzen zu. Komfortgesteppt. Rückenverstärkt. Das eine oder andere Zierkissen farblich komplementär abgestimmt. Die Sitztiefe dem eigenen Ruhebedürfnis angepasst.
Die Couch als Trostort mit Aussicht
Ein Trostort. Bettähnlich, aber nur das. Mit Aussicht. Ja, auf die Glotze. Oder in ein Buch. In die Weite, also aus dem Fenster. Couch. Klingt irgendwie noch lässiger. Und auch nach Kartoffelchipskrümeln auf robustem, kurzflorigen Velourbezug. Oder dazwischen. Auch ein guter Ort, um etwas zu verlieren. Oder sich in unguter Haltung. Aber auch Schlüssel, Kleingeld, Handy. Oder, schlimmer, die Fernbedienung.
Die Sofaritze ist allerdings eher aus der Mode gekommen durch das konfigurierbare Modulsofa mit Relaxfunktion. Wo man selbst gleich mehrfach seine Körperteile in diverse Richtungen ausrichten kann und immer eines findet: Flausch. Und noch einen Hocker und noch einen Anbau. Hier bleibt man liegen. Sitzen kann man das kaum noch nennen. Das Sofa: Haben wir es uns nicht irgendwie verdient?