Doku über das Miniatur Wunderland: "Mir liefen die Tränen herunter"
Am Donnerstag startet in den Kinos ein Dokumentarfilm über die beiden Brüder Frederik und Gerrit Braun, die sich vor fast 25 Jahren das Miniatur Wunderland in Hamburg eröffneten.
Im Interview erzählt Frederik Braun, warum es keine typische Doku über das Miniatur Wunderland ist, was sein Highlight in der Ausstellung ist und worin sich er und sein Bruder trotz des gemeinsamen Hobbys grundsätzlich unterscheiden.
Herr Braun, der Untertitel des Films lautet: "Vom Kindheitstraum zum Welterfolg". Wie gut trifft das den Film und die Geschichte Ihres großen Wunderlandes?
Frederik Braun: Da muss ich ganz stolz zurück in meine Kindheit gucken: Gerrit und ich haben sehr viel gespielt, wir waren immer etwas verrückt. Das liegt ein bisschen daran, dass wir ziemlich alleingelassen wurden von unseren Eltern und uns beide hatten. Wir hatten einen ganz großen Antrieb, irgendwie etwas anders zu machen. Wenn wir etwas gemacht haben, haben wir immer die Superlative geliebt - das sieht man beim Wunderland auch. Uns war von Anfang an klar, dass, wenn wir das Wunderland bauen - und wir hatten eigentlich immer den Traum, die größte Modelleisenbahn der Welt zu bauen -, das anders, verrückt und verspielt sein muss. Das ist ja in der heutigen Zeit in einer etwas oberflächlichen Gesellschaft wichtig, der Größte zu sein.
Wir lernen Sie und Ihren Bruder Gerrit als unterschiedliche Charaktere kennen. Wo sind Sie sich ähnlich und wo ticken Sie ganz anders?
Braun: Das ist tatsächlich sehr extrem. Da, wo wir uns sehr ähnlich sind, sind wir fast gleich: Wir brauchen unglaublich viel Zuneigung, unheimlich viel Bestätigung. Ich brauche das alle 48 Stunden, es ist wie eine Droge: Man kriegt ein Lob und ist ganz glücklich - und das ist nach 48 Stunden wieder weg. Da haben wir eine ganz große Schwäche in uns drin, die aber gleichzeitig ein Antrieb ist. Anders ist es beim Optimismus: Ich bin ein überschwänglicher Optimist. Wenn ich eine Idee habe, dann träume ich schon davon, wie groß, wie schön das wird. Ich kann das gar nicht ertragen, wenn ich dann auf Gerrit treffe, ihm die Idee erzähle und er mir eigentlich nur sagen soll: 'Frederik, du bist toll, hast eine tolle Idee gehabt'. Stattdessen sagt er meistens: 'Hast du schon an dies und jenes gedacht?' Ich habe zum Beispiel zwei linke Hände, was Technik betrifft - er kann bauen, tüfteln und Daniel-Düsentrieb-mäßig erfinden wie kein anderer. Da sind wir extrem unterschiedlich. Mit diesen Unterschieden könnte ich die Sendung sprengen.
Es sind vor allem Männer, die Eisenbahn-Fans sind. Ist das so ein Männerding zwischen Vater und Sohn? Vielleicht auch, um sich ein bisschen in eine heile Welt zu flüchten?
Braun: Auf jeden Fall ist es das Klischee, und man kann auch ein bisschen sagen, dass es stimmt. Ich kann mich sehr gut erinnern an unsere Eröffnungszeit vor 23 Jahren: Wir hatten panische Angst, dass nur Männer kommen. Wir wollten von Anfang an eine Attraktion für die ganze Familie schaffen. Deswegen heißt es auch nicht "Modelleisenbahn Hamburg" oder so, sondern "Miniatur Wunderland", so eine Welt in Klein, in der zufälligerweise eine Menge Eisenbahnen fahren. Es war am Anfang tatsächlich so, dass 70 Prozent Männer kamen. Da waren wir schon ein bisschen besorgt, das hat sich aber ganz schnell verändert, weil unser Wunderland nicht eine klassische Modelleisenbahn ist. Wenn es wirklich nur eine Eisenbahn wäre, die im Kreis herumfährt, wäre das eher so ein Jungs- beziehungsweise Männerding.
Soziales Engagement ist Ihnen auch sehr wichtig. Es gibt Tage, an denen Menschen, die sich das nicht leisten können, auch rein dürfen. Dabei kommt es auch zu sehr kuriosen Anfeindungen, richtig?
Braun: Ja, das musste man erst mal lernen. Ich hatte mal zu Weihnachten eine ganz komische Begegnung vor der Kirche, die mich ganz traurig gemacht hat. Da habe ich gesagt: Wir müssen mal was tun. Vor ungefähr zehn Jahren hatte ich diese Idee, alle Menschen umsonst reinzulassen, die sich das sonst nicht leisten können. Und wir fragen auch nicht nach einem Zertifikat oder so - das soll jeder für sich selbst entscheiden. Und da sind dann 2017/2018, in der Hochphase der Flüchtlingskrise, sehr viele Flüchtlinge gekommen. Darüber haben auch die Zeitungen berichtet, und Sie können es sich nicht vorstellen, wie viele andere Menschen gesagt haben: "Das kann nicht angehen! Wieso lässt du Flüchtlinge umsonst rein? Diese ganzen Sozialschmarotzer werden dich alle betrügen! Die fahren im Porsche vor und sagen dann an der Kasse, dass sie sich das nicht leisten können!" Bis heute passiert das jedes Jahr wieder, wenn wir diese Aktion ankündigen. Es gibt so viel Neid oder Angst in dieser Gesellschaft, in einem so tollen Land wie Deutschland - da habe ich gedacht: Jetzt ist eine Stufe überschritten.
In der Ausstellung gibt es viele Spielereien, Einfälle, kleine Gags. Was ist Ihr Lieblingsmoment?
Braun: Es sind Tausende von kleinen Details. Ich liebe tatsächlich immer noch den Skandinavien-Abschnitt: Wenn es dunkel wird und diese Schneelandschaft bläulich schimmert, dieses bläuliche Mondlicht, das ist für mich immer noch ein Highlight. Aber jeder hat seinen eigenen Geschmack und seine eigenen Highlights im Wunderland.
Man könnte denken, niemand kennt die Ausstellung so gut wie Sie. Was hat Sie am Film trotzdem überrascht oder besonders berührt?
Braun: Das wurde zwei Jahre lang gedreht, und es war von Anfang an klar, dass das nicht die 138.000. Dokumentation werden soll, die wir alle aus dem Fernsehen kennen. Ich durfte ein Jahr lang beim Schnitt nichts sehen und bin tatsächlich erst von dem Filmteam eingeladen worden, als es fertig war. Und als ich den Film das erste Mal gesehen habe, habe ich ungefähr zehn Momente gehabt, wo mir die Tränen herunterliefen. Klar, das betrifft mich natürlich sehr persönlich; meine Kindheitsgeschichte wurde mit diesen kleinen animierten Figuren dargestellt. Ich gehe davon aus, dass diese Geschichte auch den größten Wunderland-Fan und denjenigen oder diejenige, die noch nie im Wunderland war, genauso berührt. Es sind natürlich spektakuläre Bilder aus dem Wunderland, mit einem Aufwand gefilmt, tief rein ins Detail, Kameraflüge, wie man sie sich auf der Leinwand nicht schöner vorstellen kann. Aber dazu kommt diese Geschichte von uns, und deswegen bin ich mir ganz sicher, dass mindestens 90 bis 95 Prozent der Menschen, die ins Kino gehen, beseelt wieder rausgehen.
Das Interview führte Philipp Schmid.