Dialog im Michel: Joachim Gauck war zu Gast in Hamburg
Was bewegt unsere Gesellschaft? Mit dieser und weiteren Fragen beschäftigt sich die Reihe "Dialog im Michel" in Hamburg. Nun war Ex-Bundespräsident Joachim Gauck zu Gast. Die Veranstaltung hat in Zusammenarbeit mit NDR Kultur stattgefunden.
2012 wurde Joachim Gauck der 11. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland - bis zum März 2017. Sein aktuelles Buch heißt "Erschütterungen: Was unsere Demokratie von außen und innen bedroht". Darüber und über weitere Themen sprach er am Donnerstag im Hamburger Michel mit Anja Würzberg, NDR Programmbereichsleiterin Kultur.
Vorab erzählte Würzberg bei NDR Kultur, worum es im Gespräch mit Gauck gehen sollte. In seinem Buch plädiert Gauck für ein "raus aus der Komfortzone, raus aus der Realitätsblindheit".
Der Erschütterungen gibt es in unseren Gesellschaften derzeit viele. Welche meint den Joachim Gauck in seinem Buch?
Anja Würzberg: Der frühere Bundespräsident spricht von den Erschütterungen, die unsere Gesellschaft, unsere gesamte Demokratie derzeit erlebt. Er streitet in seinem Buch für eine wehrhafte Demokratie. Eine Demokratie, die sich tatsächlich gegen innere und äußere Bedrohungen aktiv zur Wehr setzt. Er findet auch, dass das bitter nötig ist, denn er sagt: "Unsere liberale Demokratie ist geschwächt. Vielleicht sind wir ein bisschen zu verwöhnt von der langen Friedensphase, in der wir glücklicherweise leben. Wie ein Gelände, in dem der Bürger zu lange sorglos in den Tag lebte und dabei die Gefahr ignoriert".
Welche Bedrohung skizziert er denn da?
Würzberg: Gauck spricht von einer Bedrohung von außen. Ganz konkret spricht er von der Bedrohung durch einen imperialen russischen Nachbarn, der das Gewaltverbot missachtet. Die Bedrohungen von innen sind für Gauck autoritäre, populistische Kräfte. Also Kräfte, die Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit missachten, und Menschen, die Hass und Zwietracht säen. Beide Bedrohungen führen dazu, dass wir erschüttert sind, als demokratische Gesellschaft, aber auch, als Individuen. Für Gauck und für seine Co-Autorin Helga Hirsch heißt es in der Konsequenz: Raus aus der Komfortzone, raus der Realitätsblindheit und es ist Zeit für eine wehrhafte Demokratie, nicht Frieden im Westen zum Preis von Unfreiheit im Osten.
Joachim Gauck ist Bundespräsident a. D. Er ist allerdings auch Pfarrer gewesen, evangelischer Pfarrer in Rostock bis 1989. Nun ist ja genau das auch in der Evangelischen Kirche in Deutschland heiß diskutiert worden zwischen den Polen einer wehrhaften Demokratie und einem protestantischen Pazifismus. Wo steht er denn da?
Würzberg: In der Bibel heißt es: "Liebet eure Feinde!" Daran haben sich schon Generationen die Zähne ausgebissen. Auch für Joachim Gauck ist das ein zentraler Punkt. Wie können wir einr pazifistische Friedensethik in der aktuellen Situation leben?
Darüber werde ich mit ihm auch im Hamburger Michel sprechen, angesichts von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Dieser Angriffskrieg hat wirklich alle Hoffnungen zunichte gemacht, dass man mit wirtschaftlichem Handel einerseits und kulturellem und politischem Dialog andererseits einen Despoten befrieden kann. Innenpolitisch will ich den Ex-Politiker und Christen fragen: Wie können wir als Gesellschaft mit Menschen umgehen, die Hass säen? Wo endet sinnvolle Dialogbereitschaft? Und wo beginnt falsche Toleranz?
Der eine oder die andere wird NDR Kultur hören und jetzt neugierig geworden sein. Gibt es noch Karten für die Veranstaltungen im Michel in Hamburg?
Würzberg: Der "Dialog im Michel" mit Joachim Gauck, in Zusammenarbeit mit NDR Kultur, löst großes Interesse aus. Viele hundert der kostenlosen Karten sind bereits reserviert. Aber der Michel ist groß und alle sind auf jeden Fall willkommen und können noch kostenlose Karten reservieren.
Das Gespräch führte NDR Kultur Moderator Mischa Kreiskott.
Die Karten für die Veranstaltung sind kostenlos, aber reservierungspflichtig. Die Veranstaltung geht von 17:45 Uhr bis 19 Uhr.
Adresse: Hauptkirche St. Michaelis. Englische Planke 1, 20459 Hamburg.