"Der ästhetische Superstar": Florian Illies über Caspar David Friedrich
Der Journalist und Kunsthistoriker Florian Illies beschäftigt sich intensiv mit Caspar David Friedrich. Im Interview spricht er über das Jubiläumsjahr und über das Magische, das den Maler umgibt.
Heute vor 250 Jahren, am 5. September 1774, wurde Caspar David Friedrich in Greifswald geboren. Mit großen Ausstellungen ist er in diesem Jahr schon gewürdigt worden. Es ging los in der Hamburger Kunsthalle, weiter in der Berliner Nationalgalerie und derzeit ist sein Werk im Albertinum in Dresden zu sehen. Auch in der Geburtsstadt, in Greifswald, gibt es natürlich Ausstellungen und viele Veranstaltungen zum Jubiläumsjahr.
Herr Illies, obwohl erst heute sein Geburtstag gewesen wäre, ist das Caspar David Friedrich-Jahr schon ziemlich lang zugange. Haben Sie eigentlich jede einzelne Ausstellung besucht?
Florian Illies: Ja, ich habe wirklich alles gesehen. Es haben so viele Museen zu diesem Anlass schon im Vorfeld ihre Bilder gezeigt und andere dazu geholt. Es ist wirklich ein prachtvolles Jubiläumsjahr. Caspar David Friedrich oben auf seiner Wolke sieben im Himmel kann sich das gar nicht vorstellen, dass in einem Jahr eine Million Menschen seine Bilder sehen, während er zu seinen Lebzeiten immer darum kämpfen musste, dass überhaupt jemand ein Bild kauft. Heute ist er ganz offensichtlich der große ästhetische Superstar. In einer völlig verunsicherten digitalen Welt ist er offenbar mit seinen Bildern aus einer ganz anderen Zeit plötzlich der Künstler, der was formulieren kann, von dem wir träumen, von dem wir sehnsüchtig erinnert werden an etwas. Er hat vor 250 Jahren etwas geschaffen, was erst heute richtig Kraft gewinnt und so richtig zu funktionieren scheint.
Wenn man sich viele seiner Gemälde anguckt und sich dann ansieht, was gerade junge Menschen zum Beispiel bei Instagram posten - Menschen in der Urlaubszeit, viele Landschaftsbilder, Menschen vor Bergen, vor Seen und vor Flüssen -, da ist Caspar David Friedrich eigentlich das Role-Model gewesen, oder?
Illies: Ja, und das ist toll. Das ist eigentlich unvorstellbar, dass er zu einer Zeit, als es noch keine Kamera gab und schon gar kein Instagram, schon die ikonischen Vorlagen geliefert hat für etwas, das heute Jugendliche wiederholen, etwa sich selbst auf Klippen stellen, um sich da zu fotografieren. Das kann man gar nicht richtig erklären, weil das etwas Magisches, etwas Rätselhaftes ist. Wie kann einer vor so langer Zeit schon etwas vorempfinden, das Ausdruck unserer Gegenwart sein würde? Das ist eines der wunderbaren Rätsel, das auch erklärt, warum dieser Friedrich so besonders ist.
Haben Sie irgendeine Antwort auf dieses Rätsel?
Illies: Ich glaube, ein Grund dafür ist, dass Friedrich zu seinen Lebzeiten mit seiner Malerei überhaupt nicht ankam, weil man sagte: Was will er uns eigentlich damit sagen? Warum stehen diese Figuren einfach so stumm in der Landschaft herum? Das wirkt ganz merkwürdig. Das, was bei seinen Zeitgenossen eine Irritation hervorrief, nämlich diese Offenheit und diese Aussagelosigkeit seiner Kunst, die ist der Grund, warum wir es heute so lieben. Wir freuen uns, wenn wir eine Kunst haben, die keine Ideologie hat, die uns keine Anekdoten erzählt, keine biblischen Geschichten wie in der Kunst damals. Nein, die ist so offen, dass jeder mit seiner eigenen Frage und mit seiner eigenen Sehnsucht da eintauchen kann.
Wie würden Sie versuchen, Menschen, die das ganze Jahr zwar den Namen Caspar David Friedrich gehört, aber sich noch nie mit ihm beschäftigt haben, einen Zugang zu ihm zu geben?
Illies: Man muss an einem schönen Sommerabend in den Himmel schauen, wenn langsam der Mond aufsteigt und die letzten Sonnenstrahlen versinken. Wenn man dieses Gefühl, das einen dann beschleicht, auf einzigartige Weise in Malerei umgesetzt finden möchte, dann sollte man sich einen Caspar David Friedrich anschauen.
Das Interview führte Keno Bergholz.