Debattierclubs: Streiten will gelernt sein
In Zeiten, in denen nichts weniger als unsere Demokratie auf dem Spiel steht, kommt der Streitkultur eine große Rolle zu. Fairness, Timing, Argumente - das kann trainiert werden, zum Beispiel in einem Debattierclub.
"Wir haben sicherlich oft zu viel Empörung in unserer Debattenkultur. Hier aber können wir gar nicht empört genug sein", sagte Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) in seinem vielbeachteten Video nach dem mörderischen Überfall der Hamas auf Israel. Und einige Tage später musste Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) die Abgeordneten im Parlament zur Ordnung rufen: "Unsere Debattenkultur spiegelt sich am Ende in der Gesellschaft wider".
Vielleicht sollten die Politiker bei den jungen Leuten zur Nachschulung gehen, die bei einem "DeBattle" genannten Wortgefecht antreten.
Spielerisch andere Positionen durchdenken
"Wenn man so streitet, dass man am Ende nur ein Weiß und ein Schwarz hat, Wahrheit und Lüge, oder dass man sich gar nicht mehr darauf einigen kann, was die Fakten sind, dann haben wir ein Problem", sagt Thomas Paulsen vom Vorstand der Hamburger Koerber-Stiftung, die den Debatten-Wettstreit fördert.
Das Publikum gibt ein Thema vor, und auf der Bühne versuchen junge Redner, "sieben Minuten lang ein Argument 'durchzuerklären' und in die Tiefe zu gehen, was man in Talkshows oder in Bundestagsdebatten nicht sehen kann. Sich dieser Herausforderung zu stellen, ist sehr erfüllend für mich", beschreibt Teilnehmer Georg Maxton, der für sein Rededuell abwägen musste, ob die Aktionen der sogenannten "Klimakleber" der "Letzten Generation" der Sache eher nützen oder schaden.
Spielerisch übernimmt jeder auf der Bühne mal die eine, mal die andere Haltung: "Ich vertrete nicht meine eigene Position, sondern ich werde gezwungen, mich mal eine Stunde mit einer Position auseinanderzusetzen, die nicht meine eigene ist."
Auch körperlich eine Herausforderung
Die Regeln in diesem Wettkampf sind ebenso streng wie lehrreich, betont Jannika Schoon: "Fast nichts hilft so wie das Debattieren - weil man zugelost wird. In einem relativ sicheren Raum ist man sportlich gefordert, das Beste für eine Seite zu finden, an die man nicht glaubt."
Die 29-Jährige ist schon einige Jahre dabei, und es hat für sie durchaus körperliche Seiten, wenn sie Standpunkte und Haltungen trainieren lässt: "Ich sage denen vor allem: 'Du hast was zu sagen. Sag es mir. Glaub an das, was du sagen willst. Und wenn du das Gefühl hast, du bist fertig mit deinem Argument, fass es nochmal zusammen. Oder überlege dir, wen betrifft das noch.' Aber es ist auch eine Standsache. Ich sehe ganz viele Frauen, die so auf einem Bein stehen, die Hüfte ein bisschen raus, und ganz schüchtern reden - denen sage ich immer: 'Stell dich mal gerade hin und sage mindestens einmal etwas Lautes.'"
Rhetorisch anregend, auch mal mit Witz
Das ist alles nicht angelesen, sondern praktisch erprobt, immer wieder, mit Spaß und Freude am Streit mit Worten. Für ihren Sparringspartner Georg sind es vor allem die rhetorischen Fähigkeiten, die sie vor Publikum trainieren:
"Dass wir versuchen müssen, nicht nur inhaltlich zu überzeugen, sondern dass wir die Leute immer auch unterhalten. Dass die Leute auch Lust haben, wirklich sieben Minuten lang zuzuhören, weil das schon eine lange Zeit ist." Deswegen sei es auch wichtig, "immer mal einen kleinen Witz zu haben und rhetorisch anregend zu reden, damit die Zuhörer nicht wegdösen".
Endausscheidung in der Elbphilharmonie
Sie machen Hoffnung, die rhetorischen Jungtalente. So, wie es am Ende der Stifter und Förderer Thomas Paulsen formuliert, könnte man es als Hinweis auf dem Bildschirm vor jeder Talkshow im Fernsehen einblenden: "Eigentlich geht es gar nicht so darum, welche Partei oder welche Position jetzt gewonnen hat. Für mich ist das Entscheidende: Es gibt Menschen, die lassen sich überzeugen und ändern ihre Meinung."
Die Endausscheidung dieses "DeBattle", bei dem der beste Dabattierclub Deutschlands rhetorisch ausgefochten wird, findet im Mai in der Hamburger Elbphilharmonie statt.