Sendedatum: 06.07.2009 22:45 Uhr

Das KZ-Bordell - Zwangsprostitution im KZ

Es ist ein Verbrechen, das bislang kaum beachtet wurde: Ab 1943 sucht die SS Lagerfrauen für Bordelle in den KZs - mit dem Versprechen, sie in die Freiheit zu entlassen. Die Idee stammt von SS-Führer Heinrich Himmler. Er will einen besonderen Leistungsanreiz für die nicht jüdischen Zwangsarbeiter schaffen, damit sie noch härter arbeiten. In zehn Konzentrationslagern, wie Flossenbürg, Dachau oder Auschwitz, entstehen Sonderbaracken. Die Gefangenen erhalten einen Bordellbesuch als "Bonus".

"Ein normaler Häftling hätte sich nie dazu gemeldet, überhaupt war das ein Akt von Verrat, wenn man sich da eintrug", erinnert sich Charles de Keyser, ein ehemaliger Häftling aus dem KZ Flossenbürg. "Die Frauen waren zwangsweise dort und was die SS zwangsweise vor die Nase schob, das war Verrat für unsereiner."

Bordellbesuch als Statussymbol

"Diese Häftlinge waren Kapos oder Häftlinge, die Arbeitskommandos angeführt hatten, sowie Blockälteste, die eine bessere Stellung im Lager hatten", sagt der Historiker Robert Sommer, der das Buch "Das KZ-Bordell: Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern" geschrieben hat.

"Mit deutscher Gründlichkeit müssen die Häftlinge bitten, 'gehorsamst das Bordell besuchen zu dürfen'", heißt es in einem Brief Himmlers. Der Plan geht zunächst auf: Viele der privilegierten Häftlinge lassen sich damit anlocken, aus ganz unterschiedlichen Motiven.

"Einige Häftlinge haben es offensichtlich genutzt, um ihre Machtposition im Lager zu zeigen, denn sexuelle Stärke bedeutete physische Stärke und Macht", so Sommer. "Andere hatten völlig andere Motive. Häftlinge, die nur sporadisch oder einmal ins Bordell gingen, hatten sehr oft das Interesse, einfach nur einmal wieder eine Frau zu sehen. Man muss sich vorstellen, dass manche fast zehn Jahre keine Frau mehr gesehen hatten."

Erniedrigende Selektion

Im Brandenburger Frauen-KZ Ravensbrück werden die meisten Frauen für die Bordelle rekrutiert. Es sind ausschließlich nicht-jüdische Frauen. Die sexuelle Demütigung beginnt schon bei der Selektion.

"Frauen wurden, nachdem sie für Lagerbordelle selektiert wurden, nackt SS-Offizieren und Ärzten vorgeführt", sagt Sommer. "Das passierte im Krankenbau. Dort wurden sie unter sehr erniedrigenden Umständen vor diesen SS-Männern vorgeführt. Mit Stöcken wurde auf ihre Geschlechtsteile gezeigt, um sie noch ein weiteres Mal zu selektieren für die Bordellarbeit."

Gesund gepflegt, frisiert und geschminkt arbeiten manche Frauen über ein Jahr in den KZ-Bordellen. Anders als versprochen, wird keine von ihnen in die Freiheit entlassen.

Solch ein Lagerbordell besuchte auch Charles Dekeyser. Mit 22 Jahren kommt er ins KZ Flossenbürg. Bei seiner Verhaftung werden seine Ersparnisse beschlagnahmt. Dafür sagt ihm die Lagerleitung Vergünstigungen zu. Diese tauscht er zweimal mit einem Häftling gegen Brot. Beim dritten Mal fliegt das Manöver auf - die SS zwingt ihn ins Bordell. Der Besuch in der Sonderbaracke habe eher einer medizinischen Versuchsanordnung geglichen, so Dekeyser.

Sex als Instrument

Aber Himmlers Plan, die Arbeitsproduktivität der Häftlinge zu steigern, geht so nicht auf. Nicht allen Männern geht es beim Besuch nur um Sex. "Wir haben uns 20 Minuten unterhalten und dann kam der Rapportführer, hat die Tür aufgerissen und mich rausgeschmissen. Das war im Prinzip alles, was ich da gemacht habe", sagt Dekeyser.

Die Bordelle zeigen, wie das Nazi-Regime versuchte, selbst Sex für seine Zwecke zu instrumentalisieren - mit allen Mitteln. "Die Frauen wurden sehr oft zwangssterilisiert, weil sie als sogenannte 'Asoziale' bereits verfolgt und stigmatisiert waren", meint Sommer. "Deswegen gab es relativ wenige Fälle von Schwangerschaften. Im Fall einer Schwangerschaft hat die SS eine Abtreibung angefragt, die dann meistens gestattet wurde."

Entschädigt wurden die ausgebeuteten Frauen nach dem Krieg nie. Sie blieben stigmatisiert und schwiegen. Robert Sommer hat ihr Schicksal nun in seiner beeindruckenden Studie ans Licht geholt.

Das KZ Bordell

von Robert Sommer
Seitenzahl:
445 Seiten
Genre:
Sachbuch
Verlag:
Schöningh
Bestellnummer:
3.506.765.248
Preis:
40,90 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur - Das Journal | 06.07.2009 | 22:45 Uhr

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