Cybermobbing: Jedes sechste Schulkind ist betroffen

Stand: 06.01.2025 13:50 Uhr

Ein Hamburger Präventionsprogramm gegen Cybermobbing ist so erfolgreich, dass es mittlerweile bundesweit an Schulen zum Einsatz kommt. Wie Prävention aussehen kann, zeigt ein Besuch in der Stadtteilschule Niendorf.

von Christian Becker

Die 10e der Stadtteilschule in Hamburg-Niendorf guckt einen Film zum Thema Cybermobbing. Darin sprechen jugendliche Darsteller Nachrichten in die Kamera, die Betroffene von digitalem Mobbing erhalten. Ein Mädchen liest laut vom Smartphone ab: "Stimmt es, dass du wegen einer schlechten Note geweint hast?" Ein Junge liest "Ich hasse dich" - und blickt dann direkt in die Kamera.  

Mobbing im Netz: "Das kann jedem passieren" 

Nach dem Film bilden die Schülerinnen und Schüler Gruppen. Ihre Aufgabe: Sie sollen einen Brief an die Schulleitung schreiben und dabei verschiedene Rollen einnehmen - aus Sicht eines Opfers von Cybermobbing, derjenigen, die einfach nur zugeschaut haben und der des Täters.

Der 16-jährige Elias findet es wichtig, das Thema im Unterricht zu besprechen: "Das kann jedem passieren - und man sollte wissen, wie man sich dagegen wehren kann." Merle, ebenfalls 16, erzählt: "Wir hatten mal ein Mädchen in der Klasse, die Sachen im Klassenchat geschrieben hat, die da wirklich nicht rein sollten." 

"Konnten schnell intervenieren": Präventionsarbeit in der Klasse

Ein Lehrer kniet neben einem Tisch, an dem Schüler sitzen, die sich mit ihm unterhalten. © Screenshot
Prävention gegen Cybermobbing wirkt - davon ist Klassenlehrer Murat Aylar überzeugt.

Die Präventionsarbeit hier in der Klasse hat geholfen, mit dem Fall umzugehen. "Die Täterin wurde angesprochen und ich wurde auch zu Hilfe geholt", berichtet Klassenlehrer Murat Aylar. "Wir konnten auch sehr schnell intervenieren. Daran hat man gesehen, dass diese ganzen präventiven Maßnahmen wirklich funktioniert haben."

Cybermobbing an Schulen verhindern - das ist das Ziel des Programms "Gemeinsam Klasse sein". Die Beratungsstelle Gewaltprävention der Hamburger Schulbehörde hat es mitentwickelt. Seit 2018 haben mehr als einhundert Schulen an dem Programm teilgenommen - und zwar so erfolgreich, dass das Programm mittlerweile bundesweit an Schulen zum Einsatz kommt. Der Bedarf ist groß: Laut Umfragen ist fast jedes sechste Schulkind in Deutschland von Mobbing betroffen.

Vormittags Mobbing, nachmittags Cybermobbing 

"Mobbing und Cyber-Mobbing sind schwer zu trennen", weiß Kaj Buchhofer von der Beratungsstelle Gewaltprävention der Schulbehörde. Beide Phänomene seien oft miteinander verzahnt. "Ein Kind, das am Vormittag Schikane erlebt, kann zusätzlich zu Hause Attacken übers Smartphone abkriegen. Das heißt, Betroffene sind dem Ganzen permanent ausgesetzt - und die Inhalte verbreiten sich extrem schnell."

Weitere Informationen
Ein Junge sitzt traurig neben seinem Schulranzen. © imago images / photothek Foto: photothek

Hamburger Anti-Mobbing-Programm bundesweit in Schulen im Einsatz

Mit dem Schulprogramm "Gemeinsam Klasse sein" sollen Kinder und Jugendliche lernen, Mobbing zu erkennen und sich dagegen zu wehren. mehr

Australien hat zum Beispiel die Nutzung von Social Media für Jugendliche unter 16 Jahren gesperrt. In Deutschland und auch Hamburg gibt es Diskussionen darüber, Smartphones an Schulen zu verbieten.

In der Diskussion: Smartphone-Verbote an Schulen 

Die Schülerinnen und Schüler der 10 e sehen das Thema Smartphone-Verbot unterschiedlich. Marvin (15) findet ein Verbot auf der einen Seite sinnvoll - "weil dann nicht direkt in der Schule so etwas passieren würde." Es würde die Täter jedoch nicht davon abhalten, von zu Hause aus Mobbing-Nachrichten zu schreiben. Donya (15) meint: "Es ist, abhängig vom Alter, wichtig, Zugriff aufs Smartphone zu haben." Und Nico (15) findet: "Wir brauchen das Smartphone im Unterricht eigentlich nicht. Es ist einfach nur Ablenkung."  

Entscheidend sei, dass Kinder lernen, mit dem Thema umzugehen, sagt Berater Buchhofer. "Sie sollten wissen, dass es Dinge gibt, die nicht okay sind - und dass sie sich Hilfe holen können." Über Verbote müssten Schule, Schülerschaft und Eltern diskutieren - sie könnten aber ein "zielführender Weg" sein.

Nicht wegschauen, sondern bei Cybermobbing eingreifen. Das wollen die Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Niendorf auch in Zukunft.

Weitere Informationen
Ein Junge wird an den Haaren gezogen und gibt sein Handy einer anderen Person. © Thomas Koehler Foto: Thomas Koehler

Medien-Scouts an Schulen im Kampf gegen Cybermobbing und Hass

Viele Jugendliche kennen Demütigungen in sozialen Netzwerken. Das Projekt MedienScoutz in Salzgitter will Schülerinnen und Schülern zur Seite stehen. mehr

Eine Jugendliche mit Smartphone. (extra 3 vom 02.05.2024 im Ersten) © NDR
7 Min

Handysucht und Cybermobbing: Smartphones machen Jugend krank

Die Schattenseiten der Digitalisierung und wie sehr unsere Jugend unter dem ständigen Druck und den Gefahren der Online-Welt leidet. 7 Min

Szene aus einem Klassenraum. © Screenshot
4 Min

Medienkompetenz: Schulen in Salzgitter gehen neuen Weg

Schülerinnen und Schüler werden zu "MedienScoutZ" ausgebildet, um ihren Mitschülern in Fällen von Cybermobbing zu helfen. 4 Min

Ein Mädchen liegt auf einem Bett und schaut auf ihr Handy. © imago/Reporters Foto: imago stock&people
4 Min

Schüler wehren sich gegen Cybermobbing

Beleidigungen tun weh. Stehen sie im Netz, können sie Existenzen vernichten. Die "NDR Info Perspektiven" stellen eine bundesweite Initiative von Schülern gegen Cybermobbing vor. 4 Min

 

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 04.01.2025 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Bildung

Schule

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Friederike Groß: Ohne Titel, 2024 © Friederike Groß

Zehn Jahre "Charlie Hebdo"-Attentat: "Weitermachen, nicht aufgeben"

Was wagen Museen und Zeichner angesichts des Anschlags auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" noch? Und wie groß ist der Druck durch soziale Medien? mehr