Cybermobbing: Jedes sechste Schulkind ist betroffen
Ein Hamburger Präventionsprogramm gegen Cybermobbing ist so erfolgreich, dass es mittlerweile bundesweit an Schulen zum Einsatz kommt. Wie Prävention aussehen kann, zeigt ein Besuch in der Stadtteilschule Niendorf.
Die 10e der Stadtteilschule in Hamburg-Niendorf guckt einen Film zum Thema Cybermobbing. Darin sprechen jugendliche Darsteller Nachrichten in die Kamera, die Betroffene von digitalem Mobbing erhalten. Ein Mädchen liest laut vom Smartphone ab: "Stimmt es, dass du wegen einer schlechten Note geweint hast?" Ein Junge liest "Ich hasse dich" - und blickt dann direkt in die Kamera.
Mobbing im Netz: "Das kann jedem passieren"
Nach dem Film bilden die Schülerinnen und Schüler Gruppen. Ihre Aufgabe: Sie sollen einen Brief an die Schulleitung schreiben und dabei verschiedene Rollen einnehmen - aus Sicht eines Opfers von Cybermobbing, derjenigen, die einfach nur zugeschaut haben und der des Täters.
Der 16-jährige Elias findet es wichtig, das Thema im Unterricht zu besprechen: "Das kann jedem passieren - und man sollte wissen, wie man sich dagegen wehren kann." Merle, ebenfalls 16, erzählt: "Wir hatten mal ein Mädchen in der Klasse, die Sachen im Klassenchat geschrieben hat, die da wirklich nicht rein sollten."
"Konnten schnell intervenieren": Präventionsarbeit in der Klasse
Die Präventionsarbeit hier in der Klasse hat geholfen, mit dem Fall umzugehen. "Die Täterin wurde angesprochen und ich wurde auch zu Hilfe geholt", berichtet Klassenlehrer Murat Aylar. "Wir konnten auch sehr schnell intervenieren. Daran hat man gesehen, dass diese ganzen präventiven Maßnahmen wirklich funktioniert haben."
Cybermobbing an Schulen verhindern - das ist das Ziel des Programms "Gemeinsam Klasse sein". Die Beratungsstelle Gewaltprävention der Hamburger Schulbehörde hat es mitentwickelt. Seit 2018 haben mehr als einhundert Schulen an dem Programm teilgenommen - und zwar so erfolgreich, dass das Programm mittlerweile bundesweit an Schulen zum Einsatz kommt. Der Bedarf ist groß: Laut Umfragen ist fast jedes sechste Schulkind in Deutschland von Mobbing betroffen.
Vormittags Mobbing, nachmittags Cybermobbing
"Mobbing und Cyber-Mobbing sind schwer zu trennen", weiß Kaj Buchhofer von der Beratungsstelle Gewaltprävention der Schulbehörde. Beide Phänomene seien oft miteinander verzahnt. "Ein Kind, das am Vormittag Schikane erlebt, kann zusätzlich zu Hause Attacken übers Smartphone abkriegen. Das heißt, Betroffene sind dem Ganzen permanent ausgesetzt - und die Inhalte verbreiten sich extrem schnell."
Australien hat zum Beispiel die Nutzung von Social Media für Jugendliche unter 16 Jahren gesperrt. In Deutschland und auch Hamburg gibt es Diskussionen darüber, Smartphones an Schulen zu verbieten.
In der Diskussion: Smartphone-Verbote an Schulen
Die Schülerinnen und Schüler der 10 e sehen das Thema Smartphone-Verbot unterschiedlich. Marvin (15) findet ein Verbot auf der einen Seite sinnvoll - "weil dann nicht direkt in der Schule so etwas passieren würde." Es würde die Täter jedoch nicht davon abhalten, von zu Hause aus Mobbing-Nachrichten zu schreiben. Donya (15) meint: "Es ist, abhängig vom Alter, wichtig, Zugriff aufs Smartphone zu haben." Und Nico (15) findet: "Wir brauchen das Smartphone im Unterricht eigentlich nicht. Es ist einfach nur Ablenkung."
Entscheidend sei, dass Kinder lernen, mit dem Thema umzugehen, sagt Berater Buchhofer. "Sie sollten wissen, dass es Dinge gibt, die nicht okay sind - und dass sie sich Hilfe holen können." Über Verbote müssten Schule, Schülerschaft und Eltern diskutieren - sie könnten aber ein "zielführender Weg" sein.
Nicht wegschauen, sondern bei Cybermobbing eingreifen. Das wollen die Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Niendorf auch in Zukunft.