Stand: 22.06.2020 11:48 Uhr

Kann die Corona-Krise eine Verkehrswende einläuten?

Mit welchen Verkehrsmitteln sind die Menschen unterwegs? Wie weit sind die Strecken, die sie fahren? Und wie entwickelt sich Mobilität? Das erforscht Barbara Lenz, Professorin für Verkehrsgeografie an der Humboldt-Universität Berlin und Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR).

"Man hat deutlich gesehen, dass der Verkehr in der Corona-Zeit stark zurückgegangen ist und zwar bei allen Verkehrsmitteln", hat Lenz beobachtet. Kurz vor Ostern führte sie eine Befragung zum Thema Mobilität durch. Es zeigte sich ein klarer Trend, welches Verkehrsmittel die Leute in dieser Zeit bevorzugten: "Alles, was Individualverkehrsmittel ist, sowohl das Auto als auch das Fahrrad", fasst Lenz zusammen. "Die Verlierer waren diejenigen Verkehrsmittel, die man in irgendeiner Weise mit jemand anderem teilt: der öffentliche Nahverkehr, der Fernverkehr, das Flugzeug. Aber auch alle Sharing-Angebote."

Konzepte für den öffentlichen Nahverkehr

Seit wir mehr über Ansteckungswege wissen und seit den Lockerungsmaßnahmen sind die Leute jetzt wieder mehr unterwegs -  aber vor allem mit dem Auto. Öffentliche Verkehrsmittel werden gemieden, weil sich viele in ihrem Auto sicherer vor Ansteckung fühlen als in Bus und Bahn. Was verständlich erscheint, ist ein Rückschlag für nachhaltige Verkehrspolitik.

Wie kann man den öffentlichen Nahverkehr wieder attraktiver und sicherer machen? Auch darüber forscht Barbara Lenz am DLR: "Wie kriegen wir die Luft in den Innenräumen in den Fahrzeugen sauberer, gegebenenfalls auch bakterien- und virenfrei? Dann gibt es Überlegungen dazu, wie man die Innenräume anders gestalten kann in den öffentlichen Verkehrsmitteln." Es gebe auch Ideen, wie man mithilfe der Digitalisierung die Menge der Fahrten steuern könnte und Fahrgästen Informationen aufs Handy schickt, wo sie in einem relativ leeren Waggon noch Platz finden können.

Autofahrten unattraktiv machen

Zwar hat auch der Fahrradverkehr zugenommen, aber der ist nur für kurze Strecken attraktiv und auch nur in Städten. Noch gibt es auch fast nirgends ein zusammenhängendes Radverkehrsnetz und kaum gut ausgebaute Radwege.

Zukunftskonzepte sind aber eher, Autofahrten in Ballungsräumen unattraktiv zu machen. "Wenn Sie jetzt nach Wien gucken, wo der erste Bezirk autofrei gemacht wird, dann gibt es offensichtlich Städte, die kriegen das hin, dass sie sagen, das Auto hat hier nichts mehr zu suchen." Damit das Konzept autofreier Städte gelingt, muss allerdings der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden. Auch um Pendler müsse man sich kümmern und ihnen bessere Angebote machen, in die Städte zu kommen.

Mehr E-Mobilität?

Ob die Corona-Krise eine Verkehrswende einläuten könnte, ist noch fraglich. Alle zukunftsträchtigen Konzepte wie Busse, Bahnen, Carsharing werden derzeit noch gemieden. Und auf dem Land gibt es solche Angebote oft gar nicht. In fernerer Zukunft wäre sicher "Autonomes Fahren" ein Zukunftskonzept, glaubt Barbara Lenz, "wenn man es mit Sharing kombiniert und in den öffentlichen Verkehr integriert".

Elektromobilität sieht Lenz vorsichtig positiv. Im Moment hätten wir einfach keine andere, bessere Technologie, mit der wir das CO2-Ziel erreichen. E-Autos trügen zumindest dazu bei. Mit E-Bikes könnte man auch längere Strecken zurücklegen, deswegen gebe es mehr Möglichkeiten, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Allerdings auch nur, wenn es eine  Infrastruktur gäbe.

Straßenraum zurückgewinnen

Können wir etwas mitnehmen aus der Corona-Zeit in puncto Mobilität? Barbara Lenz ist eher skeptisch. "Mit oder ohne Corona werden wir uns darum kümmern müssen, dass der Verkehr in der Stadt in Zukunft anders gestaltet wird, dass wir den Straßenraum zurückgewinnen", sagt sie.

Nicht nur die Verkehrssituation und Luftverschmutzung zwingen uns dazu, sondern auch der Klimawandel: "Hier kommt noch ein ganz wesentlicher zweiter Faktor dazu, der uns einfach zwingt, schnell aktiv zu werden. So richtig viel Zeit haben wir nicht mehr."

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