Klimaabgabe: Warum sollen nur die Mieter zahlen?
Laut Politik soll Klimaschutz "sozial verträglich" sein, auch beim Wohnen. Doch die CO2-Abgabe zahlen bisher nur die Mieter.
Wer trägt die Kosten des Klimaschutzes? Dass dies eine ebenso brisante wie unausweichliche Frage ist, dämmert der Bundesregierung allmählich. Seit diesem Jahr wird für das Freisetzen des klimaschädlichen CO2 eine Abgabe fällig, 25 Euro pro Tonne. Diese Abgabe wird auch auf den Energieverbrauch in Wohnungen erhoben.
Für die rund 20 Millionen Mietwohnungen in Deutschland fasste das Bundeskabinett aus CDU/ CSU und SPD am 12. Mai einen salomonischen Beschluss: Mieter und Vermieter sollen sich den CO2-Preis auf Emissionen, die durchs Heizen und den Gebrauch von Warmwasser entstehen, je zur Hälfte teilen. So steht es im "Klimapakt" der Bundesregierung, mit dem sie die durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April nötig gewordenen Verschärfungen beim Klimaschutz in die Tat umsetzen will. "Gerecht" sei diese Aufteilung, ließ Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) mitteilen. Klimaschutz müsse "sozialverträglich" sein, begründete Regierungssprecher Steffen Seibert den Beschluss.
Mieter und Vermieter - wer ist für was verantwortlich?
In der 50:50-Aufteilung spiegelt sich ein Kompromiss. Die Mieter nutzen Raumwärme und Warmwasser, verursachen also konkret die CO2-Emissionen. Die Vermieter hingegen bestimmen, mit welchen Energiequellen geheizt wird und wie effizient Wände, Fenster und Dächer das Entweichen von Wärme verhindern. Eine Beteiligung an der CO2-Abgabe solle "die Vermieter anreizen", etwa veraltete Heizsysteme durch emissionsarme Energiequellen zu ersetzen, erläutert Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Beschluss des Kabinetts im Interview mit Panorama.
Zu gleichen Teilen? Fehlanzeige!
Aber durchsetzen konnte sich die Bundesregierung mit der 50:50-Aufteilung nicht. Die Unionsfraktion rebellierte und blockierte eine entsprechende Gesetzesänderung. Somit wird die CO2-Abgabe nun vollständig auf die Mieter umgelegt. Eine Beteiligung der Wohnungseigentümer verstoße gegen das "Verursacherprinzip". Die Mieter drehten Heizungen und Warmwasser auf und müssten deshalb allein für die entstehenden Emissionen bezahlen, hieß es aus der Fraktion von CDU und CSU.
"Den CO2-Preis zahlt derjenige, der die Energiekosten verursacht", sagt Thorsten Frei, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag, im Panorama-Interview. Bei der CO2-Abgabe gehe es darum, "Nutzerverhalten zu steuern." Sie solle eine "Lenkungswirkung" entfalten "in dem Sinne, dass der Mieter die Heizung im Winter nicht ganz so weit aufdreht," so Frei. Der Unions-Franktionsvize aus dem Südschwarzwald betont, dass die Umlage des CO2-Preises auf die Mieter sozial abgefedert werde. Für die Schwächsten sei das Wohngeld angehoben worden. Mieter müssten außerdem für Strom weniger EEG-Umlage zahlen. Die Kosten des Energieverbrauchs selbst werden, unabhängig vom CO2-Preis, vom Mieter getragen.
"Kalt duschen" als Lösung?
Rückenwind bekommen die CDU-Abgeordneten von der Wohnungswirtschaft und ihren Verbänden. Der CO2-Preis habe den Zweck, "eine Lenkungswirkung beim Verbraucher" hervorzurufen, bekräftigt Kai H. Warnecke, Präsident der Interessenvereinigung privater Immobilienbesitzer "Haus & Grund". "Wer nur kalt duscht, hat keinen CO2-Ausstoß. Wer warm duscht, hat, wenn er mit Gas oder Öl heizt, einen CO2-Ausstoß." Der Mieter wähle zudem die Art der Heizung mit, wenn er einen Mietvertrag abschließe. "Jeder Mieter kann sich die Wohnung frei aussuchen (...) und damit auch eine Entscheidung über die Heizung treffen, die in dem Gebäude vorhanden ist," so Warnecke.
"Wenn ich in dieser Lobby wäre, würde ich auch nicht anders argumentieren," sagt Andreas Neumann, den Panorama in seiner Mietwohnung in Berlin-Schöneberg, einem Altbau vom Beginn des 20. Jahrhunderts, besuchte. "Was könnte ein Mieter, außer dass er kalt duscht und friert, was könnte er tun? Er könnte sich einmauern. Er könnte vor sämtliche Fenster ganz dicke Volants hängen," meint Neumann.
Dabei ist Neumanns Wohnung sogar energetisch saniert worden. So zumindest behauptet es der Eigentümer, ein Immobilienkonzern: "Um 40 Prozent", so kündigte der Vermieter 2016 an, werde der Energiebedarf in dem Haus sinken. Die Fensteröffnungen wurden verkleinert und neue Fenster wurden eingesetzt, die Fassade wurde verstärkt. "Aber der Energieverbrauch ist genau der gleiche geblieben", sagt Andreas Neumann, Jurist und pensionierter Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung. Wir haben den Eigentümer mit den Vorwürfen konfrontiert und gefragt, wie er die vollständige Umlage der CO2-Abgabe auf den Mieter bewertet. Auf Grund von "Betriebsferien" sei man nicht in der Lage, die Fragen zu beantworten, hieß es in einer Antwort an Panorama.
CO2-Ausstoß trotz Dämmung hoch
Trotz milliardenschwerer Dämmungen und anderer Sanierungsmaßnahmen ist der CO2-Ausstoß durch Gebäude in Deutschland nach wie vor hoch. Dieses Segment macht rund ein Drittel aller klimaschädlichen Emissionen in Deutschland aus. Anders als in den meisten europäischen Staaten wohnt in Deutschland mehr als die Hälfte der Bürger zur Miete. Deshalb hat die Frage, wer in Mietwohnungen die CO2-Abgabe zahlt, hierzulande eine besondere Relevanz.
"Ich sehe es nicht ein, dass ich das zahlen soll," sagt Dagmar, die im obersten Stock eines Mietshauses in Berlin-Kreuzberg wohnt. "Ich habe überhaupt keine Möglichkeit mitzureden, wie diese Energie erzeugt wird, ob mit Öl oder Gas. Das macht der Vermieter. Und inwieweit das Haus nach außen abgedichtet ist. Wie groß der Wärmeverlust ist durch das Dach, durch die Wände, durch undichte Fenster, da habe ich keinen Einfluss drauf." Dagmar, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, berichtet, das Haus sei vor 30 Jahren zuletzt saniert worden. Ein großes Fenster im Wohnzimmer ist erkennbar undicht, durch das Dach rieselt bei heftigem Regen Wasser. Im Winter müsse sie die Heizung "auf 5" drehen, um nicht zu frieren. Der jetzige Eigentümer habe nichts unternommen, damit die Mieter mit weniger Energie auskommen.
Der Eigentümer, ein großes Immobilienunternehmen, sagt in einer Stellungnahme, mögliche Mängel würden "grundsätzlich umgehend behoben". Bei Themen rund um Energie und Nachhaltigkeit halte sich das Unternehmen "an die gesetzlichen Vorgaben".
Klimaabgabe birgt sozialen Brennstoff
Bei den derzeit anfallenden 25 Euro pro Tonne CO2 wird die Klimaabgabe den Mieter einer 100-Quadratmeter-Wohnung etwa 100 Euro im Jahr kosten. Sollte der Preis, wie von Wissenschaftlern gefordert, im Laufe des Jahrzehnts auf etwa 250 Euro steigen, sind es schon 1.000 Euro. Das zeigt den sozialen Sprengstoff, der im Klimaschutz und den damit verbundenen Kosten steckt. Bei Unionskanzlerkandidat Armin Laschet scheint dies angekommen zu sein.
Die jetzige Regelung, also die vollständige Umlage des CO2-Preises auf die Mieter, werde "keinen Bestand haben", kündigte er im Sommerinterview mit der ARD an. Die CDU-Spitze scheint angesichts des einseitigen Eintretens der Fraktion für die Interessen der Immobilieneigentümer ein mulmiges Gefühl bekommen zu haben. Wir haben Fraktions-Vize Thorsten Frei mit dem Einlenken seines Kanzlerkandidaten konfrontiert. "Wir sind sehr wohl in der Lage, darüber nachzudenken, wie wir einen besseren sozialen Ausgleich erreichen können", antwortet er.
Die Diskussion um den CO2-Preis in Mietwohnungen zeigt: Die Anforderungen der Klimaschutzpolitik prallen auf harte politische und soziale Realitäten. Ob die neue Bundesregierung eine Linie finden wird?