Kampf um Wohnraum: Die unmögliche Aufgabe der Politik

Stand: 12.08.2021 10:00 Uhr

Mieten und Immobilienpreise steigen, Wohnen wird immer teurer. Was tut die Politik, um dem sinnvoll entgegen zu wirken?

von Sebastian Asmus, Johannes Edelhoff, Annette Kammerer

Während Mieten und Immobilienpreise immer weiter steigen, kennt die Politik keine andere Antwort als "Bauen, Bauen, Bauen". Und auch das Hauptinstrument der Union für mehr Wohnungsneubau wirkt eher wie ein sinnloses Steuergeschenk: Selbst der CDU-Großspender und Bauunternehmer Christoph Gröner nennt die Sonderabschreibung für bezahlbaren Wohnraum (die so genannte "Sonder-Afa"), wirkungslos. "Dadurch wird keine einzige neue Wohnung mehr gebaut", sagt der Unternehmer im Interview: "Das kann man ausschließen, würde ich behaupten." So wird aus dem Instrument ein lukratives Geschenk.

VIDEO: Kampf um Wohnraum: Die unmögliche Aufgabe der Politik (28 Min)

Steuergeschenke für eine boomende Branche

Die "Sonder-Afa" ist eine befristete Abschreibungsmöglichkeit beim Mietwohnungsbau, faktisch also eine Subvention. Sie soll Bauherren Steuererleichterungen bringen, wenn sie bezahlbare Mietwohnungen bauen. Das Instrument hat die Union bereits in der Großen Koalition durchgesetzt. CDU und CSU wollen das Programm verlängern. Man hoffe dadurch auf eine Belebung des Wohnungsbaus, heißt es in ihrem Wahlprogramm. Die Kosten dafür liegen je nach Schätzung zwischen 450 Millionen Euro und 2,1 Milliarden Euro durch Steuermindereinnahmen.

Wahlkampfgeschenke an die CDU?

Experten, etwa vom Institut Empirica, bezweifelten schon bei der Einführung die Wirksamkeit des Instrumentes. Christoph Gröner sagt, er habe dadurch keine einzige Wohnung mehr gebaut: "Der Staat macht viele Dinge, die viel kosten und nichts bringen."

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak widerspricht: Man mache niemandem Wahlgeschenke, sagte er auf das Thema angesprochen: "Wir wollen, dass möglichst viele neue Wohnungen entstehen. Und das ist nicht eine Maßnahme, sondern das sind ganz viele Maßnahmen." Das Wohnungsbaupaket der Union aus dieser Legislaturperiode sei ein "sehr großer Erfolg" gewesen.

Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär © NDR / ARD
Hält das Wohnungsbaupaket der Union für einen Erfolg: Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär.

Dabei bekommt die CDU von der Immobilienbranche mehr Spenden als alle anderen Parteien. Allein Gröner spendete vergangenes Jahr 800.000 Euro. Der Bauunternehmer sagt, er verbinde damit keine Forderungen, er unterstütze lediglich das schwächelnde bürgerliche Lager in Berlin: "Ich würde das Gleiche für die SPD tun, wenn sie in Berlin bei fünf Prozent stehen würde. Wir brauchen eine starke Sozialdemokratie."

Bauen, Bauen, Bauen

"Ich schäme mich null komma null für Unterstützung", sagt Kai Wegner, Spitzenkandidat der Berliner CDU. Um die Wohnungskrise zu bewältigen, müssten alle Parteien an einen Tisch - auch die Immobilienwirtschaft. Käuflich wirke seine Partei dadurch nicht, meint der Spitzenkandidat. Und kündigt an, nicht nur mehr bauen zu wollen, sondern mit dem "Berliner Wohngeld" mehr einkommensschwachen Haushalten eine Mietwohnung im Zentrum zu ermöglichen. Aber auch dieses Geld würde letztendlich in die Taschen der Haus- und Wohnungseigentümer fließen.

"Bauen, Bauen, Bauen" - das ist auch die Forderung des Immobilienverbands "Haus und Grund". Konrad Adenauer, Präsident des Verbands in Rheinland-Westfalen, sagt: "Wenn das Brot knapp würde oder der Kaffee, würden wir sagen: Wir müssen mehr produzieren, mehr Brotbacken, mehr Kaffee rösten. Und wenn Gebäude fehlen, müssen wir eben mehr bauen." Das sei doch ganz klar.

"Einfamilienhaus-Verbot"

Tatsächlich wird in vielen Städten nicht nur zu wenig gebaut, sondern oft auch das Falsche. Deshalb wollen Politiker jetzt gegensteuern: "Sie können entscheiden: Weise ich Einfamilienhäuser in neuen Bebauungsplänen aus oder Geschosswohnungsbau?", erklärt Michael Werner-Boelz, Bezirksamtsleiter von Hamburg Nord. Bezirke könnten im Geschosswohnungsbau "deutlich mehr Menschen ein Dach über dem Kopf anbieten als in Einfamilienhäusern."

In Hamburg Nord werden deshalb keine Einfamilienhäuser mehr in neuen Bebauungsplänen ausgewiesen. Der Beschluss brachte den grünen Bezirksamtsleiter bundesweit in die Schlagzeilen, inklusive Shitstorm und Morddrohungen. Dabei habe er nur laut gesagt, was eine Binsenweisheit sei, so der Bezirksamtsleiter, denn alle Kommunen oder Großstädte hätten eigentlich das gleiche Problem: "Wie schaffen wir es vor dem Hintergrund der begrenzten Ressource Boden, für immer mehr Menschen Wohnraum zu schaffen?"

 

Weitere Informationen
Christof Gröner, CDU-Großspender und Bauunternehmer © NDR / ARD
54 Min

"Der Staat macht viel, was viel kostet, aber nichts bringt"

"Wir müssen 40 Millionen Wohnungen CO2 neutral und bezahlbar machen", sagt Christoph Gröner, einer der größten Immobilienbauer in Deutschland. Doch dafür habe keine Partei auch nur im Ansatz ein Konzept. 54 Min

Wärmekamera in einem Wohnraum © NDR / ARD

Klimaabgabe: Warum sollen nur die Mieter zahlen?

Laut Politik soll Klimaschutz "sozial verträglich" sein, auch beim Wohnen. Doch CO2-Abgabe zahlen bisher nur die Mieter. mehr

Vier Personen laufen auf einer Straße, im Vordergrund ist das Logo der Brebau © NDR /ARD Foto: Screenshot

Bremer Baugesellschaft: Wohnungen nur für Weiße?

Die Baugesellschaft Brebau hält Menschen mit Migrationshintergrund offenbar gezielt von Wohnungen fern. Beispielsweise Hautfarbe, Kopftuch oder Herkunft werden per Kürzeln notiert. mehr

Eine Collage von drei Hochhaussiedlungen. © NDR Foto: Screenshot

Firmengeflechte: Wem gehören unsere Wohnungen?

Viele Immobilien wechseln offenbar ihre Besitzer, ohne dass Mieter und Behörden das mitbekommen. Hintergrund sind komplexe Firmengeflechte. Das zeigen Beispiele in Schwerin und Hannover. mehr

ARD-Mediatheks-Thumb © NDR /ARD Foto: Screenshot

Der Staat als Vermieter: Keine Gnade trotz Corona

Trotz Corona fordern staatliche Vermieter meist die volle Miete. Nur Berlin hat als einziges Land ausdrücklich Corona-Ausnahmeregelungen geschaffen. mehr

Neubau eines Hauses © NDR Foto: Screenshot

Miete frisst immer mehr vom Einkommen

Durchschnittsverdiener können sich eine Neubauwohnung kaum noch leisten. Schuld daran sind auch die hohen Baukosten in Deutschland. Doch die Regierung schiebt das Problem auf. mehr

Mieter protestieren gegen Mieterhöhung © NDR Foto: Screenshot

Wohnungsgesellschaft: Mieterhöhung nach Sanierung

Die Mieter sind verzweifelt: Eine 50-prozentige Mieterhöhung flatterte ihnen ins Haus. Vermieter Vonovia hat Sanierungskosten auf die Miete aufgeschlagen. Ist das legal? mehr

Kampf um Wohnraum: Die unmögliche Aufgabe der Politik

Der Panorama-Beitrag vom 12. August 2021 als PDF-Dokument zum Download. Download (115 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 12.08.2021 | 21:45 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Umweltpolitik

Umweltschutz

Es fehlt etwas?

Computertastatur © picture-alliance Foto: Christian Ohde

Kontakt zur Redaktion

Sie vermissen einen Beitrag oder ein Video ist nicht abspielbar? Schreiben Sie uns, wir kümmern uns darum. mehr

Weitere Informationen

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr

Anja Reschke © Thomas & Thomas Foto: Thomas Lueders

60 Jahre Panorama

60 Jahre investigativ - unbequem - unabhängig: Panorama ist das älteste Politik-Magazin im deutschen Fernsehen. mehr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Panorama History Channel

Beiträge nach Themen sortiert und von der Redaktion kuratiert: Der direkte Einstieg in 60 Jahre politische Geschichte. mehr