Miete frisst immer mehr vom Einkommen
Deutschland braucht Neubauten, bezahlbare Neubauten. Das Problem: die Wohnungen, die entstehen sind meist zu teuer. Vor allem weil die Bodenkosten und die Bauvorschriften zu hoch sind.
Hohe Mieten und wenig Geld zur Lebensführung
Nach Berechnungen, die der Immobilienmarktspezialist "empirica-systeme" im Auftrag von Panorama durchgeführt hat, müssen viele Haushalte mehr als 27 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete einer Neubauwohnung ausgeben. Der Wert von 27 Prozent gilt Experten als problematisch, weil dann nur noch relativ wenig Geld zur sonstigen Lebensführung zur Verfügung bleibt, insbesondere bei Menschen mit kleineren Einkommen.
In Berlin etwa liegt die sogenannte Mietbelastungsquote bei 41,3 Prozent. Die durchschnittliche Berliner Familie muss also 41,3 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, um sich eine Drei-Zimmer-Neubauwohnung zur Miete leisten zu können - Kaltmiete! Auch in Frankfurt ist die Mietbelastungsquote mit 40,7 Prozent sehr hoch. Eine durchschnittliche Drei-Zimmer-Neubauwohnung kostet hier stolze 1.450 Euro kalt. In Leipzig kostet so ein Neubau zwar "nur" etwa 1.012 Euro Monatsmiete, da aber die Leipziger deutlich weniger verdienen, liegt die Mietbelastungsquote hier auch bei 37,5 Prozent.
Bauwirtschaft verweist auf Politik
Ein Problem, dass der Bauwirtschaft bewusst ist. Christoph Gröner baut mit seinem Unternehmen CG-Gruppe baut er im Verbund mit der Consus AG rund tausend Wohnungen pro Jahr in Deutschland. Er gibt zu, dass die meisten Wohnungen für Durchschnittsverdiener wie Polizisten oder Krankenschwestern unbezahlbar sind. Aber seine Schuld sei das nicht: Die Politik sei verantwortlich. Die Zahl der Bau-Normen etwa sei extrem gestiegen: "Wir wissen, dass die Baunormen sich von 5.000 auf 35.000 erhöht haben, die einzuhalten sind auf einer Baustelle heutzutage, so dass wir eine Verteuerung des Bauens alleine aus diesem Grund von rund 50 Prozent haben."
Der Bauunternehmer bekommt aus einer unerwarteten Richtung Unterstützung. Dietmar Walberg von der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen forscht seit Jahren daran, wie bezahlbarer Wohnraum entstehen kann. Auch er kritisiert die Regeldichte in Deutschland: "Die Baukosten steigen in einem Maße, dass wir jetzt sehr ernsthaft über Finanzierbarkeit nachdenken müssen. Es entstehen Wohnungen mit einer Kaltmiete von mindestens zehn Euro, und das ist dann jenseits dessen, was sich die meisten leisten können."
Niederländer bauen deutlich günstiger
Tatsächlich sind die Baukosten seit 2005 um 33 Prozent gestiegen. Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden nur um sechs Prozent. Woran liegt das? Das Beeindruckende: Die Holländer bauen zwar billig, aber trotzdem auf hohem Niveau. Die Baukosten liegen oft bei 800 Euro pro Quadratmeter, in Deutschland sind 2.000 Euro normal. Der deutsche Architekt Andre Kempe baut in Holland. Ein erster Unterschied: Die Baukultur.
Hier wird alles auf Kosten hin optimiert: "Wir versuchen Tiefgaragen im niederländischen Kontext zu vermeiden, weil dadurch Budget verplempert wird in ein teures Element. Man kann das auch so machen, dass man die Autos auf dem Erdgeschoss parken lässt und es dann so macht, dass die Terrassen des ersten Stocks die Autos überdecken. Damit ist der Effekt einer Tiefgarage auch erreicht, nur billiger." Das ist nur eines von vielen Beispielen. Etwa beim Schallschutz, also bei der Dicke der Decken, die in Holland dünner, aber dennoch, laut Kempe, ausreichend sind.
Die Baukosten gelten als politisch beeinflussbar. Genau deshalb hatte die Bundesregierung 2014 auch die sogenannte Baukostensenkungskommission einberufen, um die Baukosten niedrig zu halten.
Eigene Berater kritisieren die Bundesregierung
Erstmals kritisieren jetzt einige Mitglieder der Kommission öffentlich die Bundesregierung, die ihre Vorschläge ignoriert hätte: "Die wichtigsten Punkte sind nicht umgesetzt worden. Zuständig wäre das Bundesministerium des Inneren, Heimat und Bau", sagt Dietmar Walberg, der von 2014 -2016 Mitglied in der Kommission und der nachfolgenden Arbeitsgruppe war. Auch weitere Kommissionsmitglieder wie der Wirtschaftsverband "Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA)" kritisieren die Regierung. ZIA-Chef Andreas Mattner: "Es sind eher neue Regulierungen in der Diskussion, anstatt das Bauen zu erleichtern."
Horst Seehofer bestätigte auf Nachfrage einem Panorama-Reporter, dass das Bauministerium noch nicht dazu gekommen sei, die Vorschläge umzusetzen: "So wie Sie ihre Probleme nach Prioritäten abschichten müssen, so muss ich das auch, so muss die Politik das auch." Er plane aber in Zukunft, das Thema Baukostensenkung zu bearbeiten, warnt allerdings vor übertriebenen Erwartungen: "Es ist auch nicht ganz einfach, Vorschläge zur Reduzierung des Bauaufwandes zu realisieren. In dem Moment, wo sie etwa anfangen, den Brandschutz zu reduzieren, werden sie sehr schnell an die Grenzen der Handlungsmöglichkeit kommen."