Wohnungsnot: Rettung durch Großinvestoren?
Als der Champagner geköpft wird, blinzelt die Sonne durch die Wolken an der französischen Riviera. Frauen in Hosenanzügen und Männer in Nadelstreifen drängen auf den Balkon des Kongresszentrums von Cannes, genießen den Blick. Unter Ihnen liegen Heck an Heck die Superyachten an der Kaimauer. Man kennt sich: Vielleicht sieht man sich ja später noch auf einer Jachtparty, oder gar bei einer der legendären Penthouse-Feiern in den Hotels am Hafen. Dann zurück nach drinnen, zum Messestand der Arm-aber-sexy-Stadt Berlin, das Glas neu füllen. Und noch eine Currywurst dazu. Alles gratis, versteht sich.
Willkommen auf der MIPIM, der weltgrößten Messe für Immobilieninvestoren. Geld spielt hier erst eine Rolle ab sechs Nullen aufwärts. In Cannes versammelt sich jährlich der globale Geldadel um neue, lukrative Geschäfte anzubahnen. Über 4.800 internationale Investoren sind es in diesem Frühjahr. Sie treffen auf über 18.000 Banker, Berater, Anwälte, Manager, aber auch auf Stadtplaner und Politiker, die um ihr Geld werben – so wie Berlin, mit Champagner und Currywurst für lau. Denn die Politik hat ein Problem: In den deutschen Städten explodieren die Mieten, fast überall fehlt es an bezahlbaren Wohnungen. Die einzige Lösung: Bauen, bauen, bauen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass bis 2020 jährlich 350.000 Wohnungen neu errichtet werden müssen. Und bauen sollen sie private Renditejäger wie die Damen und Herren in Cannes.
Private Investoren als Retter in der Wohnungsnot?
"Wir sind angewiesen auf die freie Wohnungswirtschaft. Die brauchen wir auf jeden Fall", sagte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) zu Panorama. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) setzt aufs große Kapital: "Ich fände es sehr gut, wenn Unternehmen, die Kapital anzulegen haben wie zum Beispiel Banken und Versicherungen sich wieder stärker im Wohnungsbau engagieren"“, sagt er zu Panorama. Private Investoren als Retter in der Wohnungskrise - das ist der Plan der Politik. Und er scheitert bislang grandios.
Panorama hat mit Hilfe der "empirica-systeme Marktdatenbank" Hunderttausende Wohnungsangebote aus mehr als 100 Datenquellen zwischen Mai 2015 und Mai 2016 ausgewertet. Das Ergebnis ist verheerend: Der private Wohnungsbau, auf den die Politik ihre Hoffnungen setzt, schafft so gut wie keine bezahlbaren Mietwohnungen. 95,3 Prozent der privaten Neubau-Wohnungen in den 20 größten deutschen Städten sind für die Mehrheit der deutschen Mieter nicht bezahlbar.