Wohnungsmarkt: Der Staat als Miethai
Dem deutschen Staat gehören 37.000 Wohnungen. Doch als Vermieter agiert die Bundesrepublik Deutschland wie ein Miethai. Manche Wohnungen verwahrlosen - Mieten werden oft maximal erhöht. Jetzt rebellieren die Mieter.
Unrenovierte Wohnung und Sicherheitsmängel
Markus und Joelle Eßfeld dachten, sie hätten das große Los gezogen. Sie hatten eine Wohnung in Hamburg-Iserbrook gefunden, kurz vor Blankenese, wo man sonst schwer etwas findet. Die Miete war zwar nicht ganz billig - zehn Euro pro Quadratmeter, das Maximum, was die Mietpreisbremse hier gerade noch erlaubt. Aber sie hatten einen Vermieter, dem sie vertrauten: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz BImA - ein Unternehmen, das zu 100 Prozent dem deutschen Staat gehört. "Ich habe zu meinem Mann gesagt: 'Unser Vermieter ist die Bundesrepublik Deutschland. Dort sind wir gut aufgehoben'", erinnert sich Joelle Eßfeld.
Heute ist sie immer noch fassungslos, dass ausgerechnet der Staat als Vermieter sich kaum anders verhält, als renditeorientierte Investoren. Bei Übergabe sollte die Wohnung eigentlich renoviert sein. Doch als das Paar Mitte November einzog, gab es im Badezimmer und im Schlafzimmer wochenlang Stromausfälle. Die Armaturen im Bad waren auch kaputt. "Wir mussten vier Wochen lang Katzenwäsche machen", sagt Markus Eßfeld.
Auch sonst war der Zustand der Wohnung katastrophal. In einem Zimmer hing die Isoliermasse aus der Wand - ein Gemisch aus Steinwolle, Mäusekot und Staub. Das Fenster dort grün gefärbt, komplett verschimmelt. Besonders pikant: selbst staatliche Vorschriften wie etwa beim Brandschutz hält der Vermieter Staat nicht ein. Rauchmelder fehlten, obwohl die seit Jahren vorgeschrieben sind, ein Feuerlöscher war zwar da, der nächste Wartungstermin stand laut Plakette aber bereits 1996 an.
Doch selbst nach Beschwerden kümmerte sich die Bundesanstalt kaum. Sie reagierte selten auf Mails oder Anrufe. Erst nach Wochen kamen das erste Mal Handwerker. Die BImA räumt auf Anfrage die Mängel sogar ein, auch dass man Eßfeld schon bei der Besichtigung versprochen hatte, die Mängel zu beheben. Aber "leider war es nicht möglich, die festgestellten Mängel kurzfristig zu beheben", schreibt die BImA. Tatsächlich war die Zeit, die Mängel zu beseitigen, allerdings sehr lang. Die Besichtigung war im Juli, der Einzug Mitte November.
Die Mängelliste der BImA
Viele BImA-Mieter klagen über Zustände
BimA-Wohnungen waren ursprünglich vor allem für Beamte und Angestellte des Staates vorgesehen, doch heute wohnen dort auch viele Mieter, die nicht für den Staat arbeiten. Häufig sind es alte Kasernen oder Offizierswohnungen. Viele BImA-Mieter aus ganz Deutschland berichten von schlimmen Zuständen, egal ob aus den Metropolen Hamburg und Berlin, oder aus attraktiven B-Standorten und Studentenstädten wie Oldenburg. Die BImA gibt zu, dass es Mängel geben kann, teilt jedoch mit: "Grundsätzlich aber nimmt die BImA bundesweit in all ihren Wohnungen die erforderlichen Instandsetzungs- sowie Sanierungsmaßnahmen kontinuierlich vor, um die Wohnungen in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten."
Lisa Paus von Bündnis 90/Die Grünen aber beobachtet seit Jahren, wie der Staat sich verhält - als wäre er von einem Hedgefonds gesteuert. Im Haushaltsausschuss sei es nur um eins gegangen: "Es ging immer nur um die Frage: Wie viel Geld bringt die BImA dieses Jahr für den Haushalt ein." BImA-Vertreter seien "sehr stolz darauf, dass sie maximal Rendite-orientert mit ihren Objekten umgehen", erinnert sie Paus: "Ich finde das zutiefst irritierend und skandalös, dass der Bund so agiert."
Mieterhöhungen befördern Existenzängste
Das bekam auch Stefanie Schmid zu spüren. Im Dezember 2017 erhielt sie die dritte Mieterhöhung in sieben Jahren. 15 Prozent mehr sollte sie zahlen - fast 150 Euro. Schmid fühlt sich als Teil des Mittelstands, sie hat vier Kinder und einen guten Job in einer Behörde. Zwei Kinder unterstützt sie gerade beim Studium, eines geht noch zur Schule, in die siebte Klasse. Durch die Mieterhöhung hat sie jetzt erstmals Existenzängste: "Ich habe dann schon nachts überlegt, wo ziehe ich denn dann hin, wenn ich die Wohnung nicht mehr halten kann mit meinem Mann zusammen." Schmid hätte nie gedacht, dass sie einmal solche Sorgen haben würden, denn sie und ihr Mann verdienen nicht schlecht. Doch der Staat als Vermieter treibt die Mieten gnadenlos hoch. Eine Anfrage der LINKEN fand heraus, dass die BimA in den vergangenen drei Jahren in 75 Prozent ihrer Wohnungen die Miete erhöht hat, durch Mieterhöhungen und Neuvermietung.
Milliardengewinn für den Bundeshaushalt
Unter Wolfgang Schäuble und dessen Staatssekretär Jens Spahn wurden die Mieten gesteigert wie nie zuvor. 2,265 Milliarden Euro Gewinn überwies die BimA aus Vermietung und Verkauf an den Bundeshaushalt. Jens Spahn lobte bei einem BimA-Besuch den "kaufmännisch orientierten Dienstleister". Er dankte "für das, was geleistet worden ist."
Mittlerweile haben selbst einige CDU-Politiker erkannt, dass es so nicht weitergehen sollte. Im Wahlkreis des Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann, dem ehemaliger Justizsenator von Berlin, liegen viele BImA-Wohnungen. "Mein Eindruck ist, dass hier sehr lange nichts gemacht worden ist. Das ist im Nachhinein ein Fehler gewesen", gibt er zu. Die BImA werde jetzt mehr Geld in ihre Wohnungen investieren. Auch die Mieten sollen nicht mehr so angehoben werden, wie in der Vergangenheit. Das werde sich bald ändern, auch wenn das im Koalitionsvertrag noch nicht konkret ausformuliert sei. "Das müssen wir konkretisieren und in den nächsten Wochen und Monaten irgendwie auf eine genauere Grundlage stellen", verspricht Heilmann.
Keine Änderung der Mietpolitik in Sicht
Das Bundesfinanzministerium behauptet allerdings, es sei nicht geplant, etwas an der Mietenpolitik zu verändern, denn es gäbe gar kein Problem. Zur Rechtfertigung ihrer Mietenmaximierungen haben BMF und BImA eine sehr überraschende Logik ausgeklügelt. Die BImA habe Wohnungen über das ganze Land verteilt. In Berlin rund 4.800 Geschosswohnungen. "Gemessen am Gesamtbestand von rund 1,9 Millionen Wohnungen in Berlin bedeutet dies einen marginalen Anteil von rund 0,25 Prozent. Schon aus diesem verschwindend geringen Anteil der BImA-Wohnungen am Gesamtbestand in Berlin lässt sich ablesen, dass die Mieten der BImA-Wohnungen nicht geeignet sind, am Berliner Mietenmarkt eine Preisspirale in Gang zu setzen oder eine solche weiter 'anzuheizen'."
Eine Argumentation, mit der jeder private Vermieter Mietexzesse rechtfertigen könnte. Ein ignoranter Umgang mit dem Thema Wohnen, in einer Zeit, in der vielen Normalverdienern eine Wohnung in deutschen Ballungszentren unerschwinglich scheint und in der Sozialverbände davor warnen, Wohnkosten seien eines der größten Armutsrisiken. Es ist schwer vorstellbar, ob der Staat die Gier von Immobilienkonzernen zügeln kann, wenn er selbst nicht anders auftritt.