Eigeninteresse? Bürger verhindern Bauprojekte
Horst Wissels Haus steht nur wenige Meter entfernt von der viel befahrenen B3 in Hemmingen bei Hannover. Er schützt sich mit Doppelfenstern vor dem Lärm, der ihm sonst den Schlaf rauben würde. Seit fast 50 Jahren wohnt Horst Wissel hier und schon lange wartet er auf eine Umgehungsstraße.
Die soll die B3 entlasten und den Durchgangsverkehr von und nach Hannover verringern. Rund 20.000 Autos fahren täglich durch den Ort und verursachen Lärm, Dreck und Gestank. An Spitzentagen staut sich der Verkehr bis nach Hannover hinein und blockiert so den Heimweg auch für die Hemminger.
Jahrzehntelanger Kampf
Seit Jahrzehnten kämpfen Hemminger für die Umgehungsstraße, die einmal um den Ort herumführen soll. Doch auch wenn die Befürworter der neuen Straße sich in der Mehrheit sehen und immer wieder lautstark protestieren, ist mit dem Bau noch immer nicht begonnen worden. Der Grund: Die Bürgerinitiative "Wer Straßen sät, wird Autos ernten" hat das Projekt erfolgreich hinaus gezögert.
Straßenbaugegner Burkhard Lange ist stolz darauf. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, den Neubau auf jeden Fall zu verhindern. Die Motivation der Gegner ist auf den ersten Blick durchaus edel: Immerhin würde durch die Umgehungsstraße freie Fläche zerschnitten, die ihrer Meinung nach ökologisch schützenswert sei. Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, dass so gut wie kein Gegner direkt an der B3 wohnt. Viele der grünen Aktivisten wohnen eher ruhig. Dieses Idyll soll wohl auf keinen Fall zerstört werden, auch nicht durch das Verkehrsrauschen von einer weit entfernten Umgehungsstraße.
Wiese statt Wohnraum
Die eigene Idylle verteidigen, das gilt auch in Pinneberg. Dort sind die Rehmenfeld-Retter aktiv. Das Rehmenfeld bietet Bauland, das für dringend benötigten Wohnungsbau genutzt werden könnte. Doch die Anwohner protestieren, fürchten um die Zerstörung des "Kleinklimas". Dass damit auch der Blick ins Grüne gemeint ist, dieser Verdacht liegt zumindest bei einigen der Rehmenfeld-Retter nahe.
Zudem, so Sprecherin Anke Petersen, seien neue Wohnungen gar nicht notwendig. Sie meint, "es werden Wohnungen frei, wenn Leute sterben". Und in der Gegend um das Rehmenfeld wohnten schließlich eine ganze Reihe älterer Leute. Abenteuerliche Gründe gegen den Wohnungsbau. Aber an Informationsständen und bei Unterschriftensammlungen geht es natürlich vordergründig um den Naturschutz.
Wenige gegen das Allgemeinwohl?
Egal ob Straßen- oder Wohnungsbau - oft steht das Interesse einzelner Gruppen, die sich geschickt zu wehren wissen, Neubauten im Weg. Der Naturschutz muss dabei auch dafür herhalten, um das Gebiet rund um den eigenen Gartenzaun zu verteidigen. Nicht jede ökologisch angehauchte Bürgerinitiative kämpft nur für die "gute Sache". Oft spielen ganz profane Eigeninteressen beim Widerstand gegen Bauvorhaben eine gewichtige Rolle.