Leben in überbelegten und verdreckten Wohnungen
Schimmel, Kakerlaken, lose Elektroleitungen. Bruchbuden, bewohnt fast ausschließlich von Osteuropäern. Immer wieder geraten solche Häuser in die Schlagzeilen. Gerade erst wieder letzte Woche fand eine Großrazzia im Hamburger Osten statt: 90 Behördenmitarbeiter und 60 Polizisten überprüfen ein Wohnhaus wegen illegaler Vermietung und Sozialleistungsbetrug.
Wer sind die Menschen, die hier ihre Kinder großziehen?
Die Flure in dem Wandsbeker Wohnhaus sind eng und dunkel. Im Treppenhaus stehen Kinderfahrräder und Wäscheständer. Alle Bewohner, die wir treffen sind Bulgaren, die ihren Familien in Deutschland ein besseres Leben ermöglichen wollen.
Tagsüber treffen wir hauptsächlich Frauen. Ihre Männer sind bei der Arbeit, die Kinder in der Schule. Daniel A. hat heute seinen freien Tag, den einzigen in der Woche. Er bewohnt zwei kleine Zimmer mit seiner Frau, den zwei Töchtern und seinen Eltern. Er hat drei Minijobs, seine Frau zwei. Von 06:00 Uhr bis 15:30 Uhr arbeitet er für eine Reinigungsfirma, von 18:00 bis 20:00 putzt er zusammen mit seiner Frau einen Kindergarten und anschließend fahren sie gemeinsam zu ihrem Putzjob am Hauptbahnhof. Die Wohnung kostet inklusive aller Nebenkosten 1.000 Euro. Zufrieden sind sie mit den Wohnverhältnissen nicht. Seit Jahren suchen sie nach einer besseren Wohnung.
Eigentlich sollte dieses Haus nur eine Übergangslösung sein, aber hier raus zu kommen, ist für viele fast unmöglich. Auf dem hart umkämpften Hamburger Wohnungsmarkt haben sie kaum eine Chance. Ihr Deutsch ist nicht besonders gut, viele Wohnungen sind einfach zu teuer oder wollen nur Mieter mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Bei den Gesprächen wird schnell klar: die meisten Bewohner dieses Gammelhauses führen ein normales Leben. Daniel A. hat nur kurz Zeit, bevor er seine 7-jährige Tochter von der Schule abholt. Stolz erzählt er, wie gut sie Deutsch spricht. "Sie soll die Sprache lernen, besser als wir sein, sodass sie nicht so arbeiten muss wie wir. Sie soll eine gute Arbeitsstelle haben", sagt der junge Vater.
"Meine Kinder hatten große Angst"
Ende März stand ein Haus im Hamburger Stadtteil Bergedorf im Fokus der Behörden. Beim Betreten des Altbaus kommt man in einen großzügigen Flur, voll mit überfüllten Mülltonnen. Durch den Hausflur schallt Kindergeschrei, die Wohnungstüren sind beschädigt, Deutsch spricht auch hier kaum jemand. Die Wohnungen werden meist von mehreren Familien bewohnt, die nur einzelne Zimmer mieten. Bad und Küche werden gemeinsam genutzt. Wir treffen Taner M. und seine Frau Saniye. Sie leben seit eineinhalb Jahren hier. Den Großeinsatz der Behörden und der Polizei vor Kurzem, haben sie nicht verstanden. "Meine Kinder hatten Angst, große Angst sogar. An dem Tag sind sie auch nicht zur Schule gegangen und ich bin zu spät zur Arbeit gekommen. Ich habe nichts falsch gemacht. Alles ist normal. Ich arbeite, meine Kinder gehen zur Schule", erzählt der Vater von drei Kindern.
Ein Zuhause auf kleinstem Raum
Seine Zimmer hat er selber renoviert, "sodass es sauber und hygienisch ist. Die Kinder sollen nämlich nicht krank werden. Egal ob reich oder arm, Hauptsache man ist sauber und gesund." Die Familie hat sich auf kleinstem Raum ein Zuhause geschaffen. 850 Euro zahlen sie für zwei Zimmer. Beim Hamburger Wohnungsunternehmen SAGA hat man dem Vater gesagt, er bekomme Bescheid, wenn etwas frei wird. Bis dahin sei die Familie gezwungen, weiterhin in diesem Haus zu wohnen, erzählt der Vater.
Taner arbeitet bei einem türkischen Gemüsehändler. Seine Frau Saniye lernt gerade Deutsch. Am Nachmittag holen die beiden Eltern die Kinder aus dem Park ab, dort spielen sie bei gutem Wetter gerne Fußball. "Sie spielen, sie sind glücklich. Das macht mich auch glücklich", erzählt die Mutter am Spielfeldrand. Hier im Park sind die schimmeligen Bäder, die verdreckten Flure, die ausweglose Wohnsituation fast vergessen. Auf die Frage, an was die Mutter denke, wenn sie jetzt wieder zurück in dieses Haus gehen, antwortet sie: "An was soll ich schon denken. Wir werden nach Hause gehen, zu Abend essen, etwas Fernsehen schauen und dann schlafen gehen."