Firmengeflechte: Wem gehören unsere Wohnungen?
Zahlreiche Immobilien in Deutschland wechseln offenbar ihre Besitzer, ohne dass Mieter und deutsche Behörden etwas davon mitbekommen. Wie Recherchen von Panorama 3 und NDR Info zeigen, können Investoren Anteile an Immobilien hin- und herschieben und so auch Veräußerungsverbote umgehen.
Vor rund drei Jahren stand die städtische Wohnungsgesellschaft Schwerin (WGS) finanziell mit dem Rücken zur Wand. Schon viele Jahre wurde viel zu wenig Geld in einige Plattenbauten investiert. WGS-Geschäftsführer Thomas Köchig suchte einen Ausweg aus der Krise, indem er mehrere Blöcke mit rund 1.000 Wohnungen verkaufte. "Am Ende gab es nur noch sehr, sehr wenige Interessenten", meint Köchig. Der einzige Bieter, der bereit war alle Bedingungen zu erfüllen, war die Firma "Intown Wohnen Schwerin GmbH". Doch seit dem Verkauf im Jahr 2015 häufen sich die Beschwerden der Mieter. Immer wieder geht es um Schimmel und um eine Hausverwaltung, die sich nicht ausreichend um die Beseitigung der Mängel kümmere. Die Hausverwaltung entschuldigt sich für den schlechten Service. Die Verantwortung für die Probleme liege aber beim Voreigentümer WGS.
Die Suche führt nach Zypern
Damals wie heute stellt sich für viele Mieter die Frage, wem die "Intown Wohnen Schwerin GmbH" eigentlich gehört. Wer sich damit beschäftigt, läuft zunächst ins Leere. Denn die mittlerweile in "Projekt Wohnen Schwerin GmbH" umbenannte Firma gehört offiziell zwei Firmen, die auf Zypern registriert sind: "Retzian Limited" und "Livenio Limited". Beide werden von Mitarbeitern einer zyprischen Anwaltskanzlei verwaltet. Und wem diese beiden Firmen gehören, ist nirgendwo öffentlich nachzulesen.
Wer den wahren Eigentümer sucht, landet früher oder später bei einer Adresse in Berlin-Kreuzberg. Denn dort war die Firma "Projekt Schwerin Wohnen GmbH" 2015 registriert und dort sitzt noch heute die Gesellschaft, die für die Verwaltung der Immobilien zuständig ist. Früher hieß diese Firma "Intown Property Management", heute steht an der Tür: "Lianeo Real Estate". Mehr als 130 Firmen sind unter dieser Adresse registriert, in der Regel besitzen sie jeweils eine große oder mehrere kleinere Immobilien.
Ihme Zentrum: Deutliche Parallelen zum Fall Schwerin
Unter anderem findet man hier die "Projekt IZ Hannover GmbH". Diese Firma besaß bislang den Großteil des Ihme-Zentrums in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Der Rest gehört rund 500 Einzeleigentümern. Dieser mitten in der Stadt gelegene Betonkoloss aus den 70er-Jahren ist in Hannover berühmt. Nicht zuletzt deswegen, weil ein Großteil der rund 60.000 Quadratmetern Verkaufsfläche seit vielen Jahren leer steht und vor sich hin rottet.
Sucht man danach, wer eigentlich hinter der "Projekt IZ Hannover GmbH" steckt, tauchen deutliche Parallelen zum Fall Schwerin auf. Denn auch diese GmbH gehört einer Firma auf Zypern - der "Petherola Limited", wiederum verwaltet von der bereits bekannten Kanzlei. Und wiederum bleibt der wahre Eigentümer im Dunkeln. Der Geldwäscheexperte Rüdiger Quedenfeld findet diese Konstruktion merkwürdig. "Der Eindruck ist klar: Da geht es nicht um klare Unternehmensstrukturen, klare Finanzströme. Da geht es um das offensichtliche Verschleiern von irgendwelchen wesentlichen Tatsachen."
Wer sind die wahren Eigentümer?
Doch wer würde davon profitieren? Wieder stellt sich die Frage nach dem Eigentümer. Auch der Blick ins Transparenzregister, das eigentlich genau für solche Fälle vor anderthalb Jahren aufgebaut wurde, hilft uns hier nicht weiter: Dort steht "Keine Eintragung" zum wahren Eigentümer der beiden GmbHs.
Als Entscheider hinter der Verwaltungsgesellschaft "Lianeo Real Estate" gilt der israelische Geschäftsmann Amir Dayan. Er ist Teil einer weltweit operierenden Unternehmerfamilie und vertritt das "Dayan Family Office". Amir Dayan hatte persönlich den Kauf der Schweriner Wohnungen verhandelt. Für ein Interview steht er nicht zu Verfügung, allerdings lässt er sein Unternehmen ausführlich antworten. Unter anderem heißt es: "Unsere Gesellschaften sind vollkommen transparent gegenüber allen beteiligten Banken, Steuerbehörden und den jeweiligen Investoren." Doch die Öffentlichkeit, Mieter und Bürgermeister wissen eben nichts. Außerdem teilt "Lianeo" mit: Die Konstruktion über Zypern sei nicht kompliziert, sondern gängige Praxis.
"In Deutschland kann man nichts von diesen Verkäufen sehen"
Ein Insider auf Zypern, der nicht erkannt werden möchte, erklärt den Sinn dieser Konstruktion: "Wenn man als Investor nur einen kleinen Anteil an einer deutschen Immobilie verkaufen möchte, dann geht das über eine Holdingfirma auf Zypern leichter." Und es gibt noch einen Vorteil: "In Deutschland kann man nichts von diesen Verkäufen sehen." Genau das stellen wir am Beispiel der "Projekt Wohnen Schwerin GmbH" fest. Diese gehörte nach dem Verkauf dem "Dayan Family Office". Mittlerweile hat aber die Aktiengesellschaft "Grand City Properties" die Mehrheit an den beiden zyprischen Gesellschaften übernommen, denen wiederum die "Projekt Wohnen Schwerin GmbH" gehört. "Grand City Properties" bestätigt ein "Eigentum durch Beteiligung". Und: Die Aktiengesellschaft "genehmigt" auch "das gesamte Investitionsbudget" für die Sanierung der rund 1.000 Wohnungen in Schwerin, schreibt "Lianeo Real Estate".
Klausel sollte Spekulation mit Wohnungen verhindern
Das Absurde an der Geschichte ist, dass "Grand City Properties" 2015 als einziger verbliebener Konkurrent von Amir Dayan im Rennen um die Schweriner Wohnungen unterlegen war. Über den Umweg Zypern hat man nun offenbar dennoch sein Ziel erreicht - ohne dass das in Schwerin jemand bemerkt hat. Und: Der ursprüngliche Käufer hatte sich dazu verpflichtet, die Immobilien zehn Jahre lang zu halten. Dadurch wollte die Stadt Spekulationen mit ihrem Wohnraum verhindern.
Ihme Zentrum - "Projekt sehr politisch und komplex"
Auch bei der "Projekt IZ Hannover GmbH" hatte zwischenzeitlich eine Aktiengesellschaft das Sagen. Der Vorläufer des Konzerns "Aroundtown" kontrollierte die Immobilie von 2015 bis 2016. Ende 2018 hat sich das "Dayan Family Office" nun vollständig vom Ihme-Zentrum getrennt und die "Projekt IZ Hannover GmbH" an eine Firma des Investors Lars Windhorst veräußert. Das Projekt habe sich als "sehr politisch und komplex erwiesen", schreibt "Lianeo Real Estate" dazu. Aus Sicht des Unternehmens sei der Verkauf ein Einzelfall.