Klimaneutral heizen? Auf der Suche nach Alternativen zum Gas
Warmes Wasser, Heizen: Wohnen ist wesentlich verantwortlich für den klimaschädlichen CO2-Ausstoß. Die Industrie verspricht klimaneutrales Gas, Kritiker sagen, wir müssten ganz weg von Gasheizungen. In Dänemark setzt man auf beispielsweise auf Abwärme von Kühlhäusern.
"Ich muss hier immer mit meinem Zollstock rein und messen, wieviel da noch drin ist", erzählt Roman Lorenz und blickt auf die beiden Heizöltanks, die im Keller seines Hauses in Hamburg-Wilhelmsburg stehen. Vor einem Jahr ist er mit der Familie in das Gebäude aus den 50er-Jahren eingezogen. Nun muss er sich erstmals mit Fragen rund um die Heizungstechnik beschäftigen. Einen Raum weiter brummt der alte Ölkessel vor sich hin, der viel CO2 ausstößt. "Den würden wir gerne loswerden", sagt Lorenz. Doch was dann?
Fast die Hälfte aller Wohneinheiten werden mit Gas beheizt
Die meisten Eigentümer hierzulande greifen seit Jahrzehnten zur bewährten Technik: 74 Prozent aller neuen Heizungsanlagen wurden im Jahr 2020 mit Gas betrieben, ähnlich wie in den Jahren zuvor. In Summe wird heute fast die Hälfte aller Wohneinheiten - also Ein- und Mehrfamilienhäuser - in Deutschland mit Gas beheizt.
Auch Roman Lorenz denkt zunächst über den Einbau einer Gasheizung nach, in Kombination mit Solarthermie, bei der die Sonne einen Teil des warmen Wassers erzeugt. So würde er zumindest etwas CO2 gegenüber dem Ölkessel einsparen. Energieberater Lion Horlacher von der Firma Renewa versteht die Gedanken von Lorenz, denn "Gasheizung sind einfach die billigsten Heizungen."
Klimaziele mit Erdgas wohl nicht erreichbar
Das Problem ist nur, dass Deutschland sich auch für die Emissionen der Heizungen Klimaziele für das Jahr 2030 gesteckt hat, die mit einer dauerhaften Nutzung von Erdgas im bestehenden Umfang nicht erreichbar sind. Davon ist zumindest Jan Steinbach überzeugt. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren wissenschaftlich mit der Frage, wie der CO2-Ausstoß im Gebäudebereich reduziert werden kann. Wenn nun die Heizung kaputt ginge "sollte möglichst keine fossile Heizung mehr installiert werden, sondern es sollte auf Erneuerbare Energien umgestellt werden", erklärt Steinbach. Anders könne man die Einsparziele für 2030 nicht erreichen, zumal durch den Green Deal auf EU-Ebene eine Verschärfung der Ziele im Gebäudebereich droht.
Das 2019 vorgestellte Konzept der EU-Kommission sieht vor, in der Europäischen Union bis zum Jahr 2050 die Netto-Emission von Treibhausgasen auf null zu reduzieren. Langfristig dürften dann gar keine Gasheizungen mehr eingebaut werden, meint der Gebäude-Energieexperte. Schon heute spreche nichts gegen ein Verbot von Gasheizungen im Neubau. Als Alternativen nennt er Wärmepumpen, Biomasseheizungen in die verstärkte Nutzung von Fernwärmenetzen, wie es bereits in Dänemark passiert.
Hoffnung auf das "Grüne Gas"
Diskussionen um ein Ende der Gasheizungen erteilt der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) "eine Absage". Laut seinem Pressesprecher Frederic Leers gehe der BDH "technologieoffen" an das Problem heran, das lösbar sei. Neben der weiteren Dämmung der Häuser müssten schleunigst rund zwölf Millionen alten Heizungen getauscht werden. Als Lösung empfiehlt der Verband neben Wärmepumpen und Brennstoffzellen auch die Gas-Brennwerttechnik. Der BDH vertraut im Kern darauf, dass in wenigen Jahren sogenannte "Grüne Gase" in großem Umfang bereitstehen, bei deren Verbrennung kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre gelangt. Hier herrscht zwischen dem Heizungsverband und der deutschen Gasindustrie große Einigkeit.
Timm Kehler vertritt die Gasbranche über den Verein "Zukunft Gas" und verspricht: "Wir möchten jedem, der heute einen Gasanschluss hat, das Versprechen machen: Morgen gibt es tatsächlich klimaneutrales Gas über diesen Gasanschluss." Neben Biomethan, das aktuell im Gasnetz nahezu keine Rolle spielt, setzt die Branche ihre größten Hoffnungen in Wasserstoff. Darauf lasten allerdings die Hoffnungen sehr vieler Branchen, die ihr kohle-, öl- oder gasbasiertes Geschäftsmodell in die klimaneutrale Zukunft überführen wollen. Timm Kehler ist dennoch überzeugt davon, dass in naher Zukunft für alle ausreichend Wasserstoff zur Verfügung steht: "Die Mengendiskussion bereitet mir in der Marktwirtschaft keine schlaflosen Nächte."
Für Jan Steinbach ist das alles teure Zukunftsmusik. "Für den Gebäudesektor auf synthetische erneuerbare Gase zu setzen, ist aus meiner Sicht eine Sackgasse." Er geht nicht davon aus, dass in absehbarer Zeit nennenswerte Mengen dieser Substanzen auf dem Markt sind.
Ministerium will Verbote vermeiden
Im Bundeswirtschaftsministerium setzt man auf eine großzügige Förderung, um Eigentümer zum Sanieren ihrer Immobilie und zum Tausch ihrer Heizungsanlagen zu bewegen. Verbote, beispielsweise für den Einbau von Gasheizungen im gut gedämmten Neubau, will das Ministerium vermeiden. Einzig der Einbau einer reinen Ölheizungen ist ab 2026 eingeschränkt. Dabei drängt die Zeit. Bereits 2020 erfüllte dieser Sektor nicht die Ziele, die von der Bundesregierung im Klimaschutzgesetzt formuliert wurden.
Familie Lorenz hat sich am Ende für den großen Wurf entschieden: Dämmung und Wärmepumpe. Dafür muss Roman Lorenz viel Geld in die Hand nehmen, bekommt aber auch finanzielle Unterstützung vom Staat. Bis zu 45 Prozent Förderung sind möglich, sagt Energieberater Lion Horlacher.