Klimakiller: Streit um den Torfabbau in Niedersachsen
Hans-Gerhard Kulp zeigt mit der Hand auf einen Baumstamm, der einsam im Teufelsmoor bei Bremen steht. "Der Pfahl ist 9,60 m hoch. So hoch war die ganze Fläche hier früher." Früher heißt, vor dem Torfabbau im Teufelsmoor. Schätzungsweise 13 Millionen Kubikmeter Torf "wurden hier rausgeholt", erzählt er. Heute wird hier kein Torf mehr abgegraben. Auf den ehemaligen Abbauflächen siedeln sich wieder Torfmoose an. Diese binden Kohlendioxid und versiegeln es. So wirken die Torfmoose dem Treibhauseffekt entgegen, erklärt der Biologe Kulp. Wenn das Moor allerdings trockengelegt wird, um Torf abzubauen, "wird die selbe Menge Kohlendioxid wieder in die Atmosphäre abgegeben." Aus der Sicht von Moorschützer Hans-Gerhard Kulp ist Torfabbau "aus dem letzten Jahrhundert und nicht mehr zeitgemäß". Alleine in Niedersachsen sind entwässerte Moore jährlich für rund elf Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich (Stand 2010).
Bildung von Hochmoor dauert hunderte Jahre
Doch noch heute wird an vielen Stellen in Niedersachsen Torf abgebaut. Die Firma Compo hat für ihr Tochterunternehmen Torf- und Humuswerk Uchte erst im vergangenen Jahr eine Genehmigung erhalten, um auf 154 Hektar noch 35 Jahre lang Torf im Großen Uchter Moor (Landkreis Nienburg/Weser) abzubauen. Compo rechtfertigt den Eingriff damit, dass grundsätzlich nur dort Torf abgebaut würde, wo Flächen "landwirtschaftlich vorgenutzt" und dadurch "bereits entwässert" seien. Zum Torf gebe es aktuell keinen "Alternativstoff in ähnlicher Qualität und Verfügbarkeit." Nach dem Abbau sollen die Flächen wieder vernässt werden, damit sich wieder "lebende Hochmoore" bilden. Die Bildung eines mächtigen Hochmoors dauert in der Regel allerdings hunderte Jahre.
Die lokalen Grünen in Uchte versuchen seit vielen Jahren den Torfabbau zu stoppen. Bislang allerdings vergeblich. Burkhard Bauer meint, "hier muss ein Stopp" her, um das Klima zu schützen. "Wir müssen alles daran setzen, dass der Torf, der noch in der Erde ist, in der Erde bleibt." Die Verantwortlichen des Landkreises Nienburg, die eine Erweiterung des Torfabbaus genehmigt haben, sehen das offenbar anders. Man habe eine Entscheidung nach "sachlichen Gesichtspunkten" getroffen. Compo sei dazu verpflichtet worden nach Abbauende eine "Moorrenaturierungen mit Wiedervernässung" durchzuführen. Dadurch werde viel für das Klima und die Umwelt erreicht.
Torf für den Gartenbau - auch aus dem Baltikum
Auch Josef Gramann, Chef des Pflanzenerdenherstellers Gramoflor aus Vechta, baut in Niedersachsen Torf ab. Auch er kommt ohne den Stoff nicht aus, der für den Gartenbau ideale Bedingungen mitbringt und das Wasser optimal halten kann. Einem von einigen Grünen geforderten Abbauverbot erteilt er eine Absage. "Wenn man uns hier in Niedersachsen gänzlich den Torfabbau verbietet, müssen wir, wenn wir irgendwie noch als Unternehmen in einigen Jahren eine Rolle spielen wollen, Torf aus anderen Ländern importieren. Das ist eine ganz einfache Geschichte." Schon heute kommt ein Großteil des hierzulande verarbeiteten Torfs zum Großteil aus dem Baltikum.
Allerdings gibt sich Josef Gramann Mühe, künftig weniger Torf bei seinen Erden einzusetzen: "Wir müssen perspektivisch raus aus dem Torf." Seine Mitarbeiter arbeiten nun mit Stoffen wie Holzfasern, Rindenmulch, Kompost oder Kokosfasern (Cocopeat), um den Anteil des Torfs in den Erden zu reduzieren. Der Hobbygärtner könne, wenn er wollte, auch eine torffreie Erde für seine Blumen erwerben. Im konventionellen Gartenbau scheint der Preisdruck durch den Einzelhandel allerdings so massiv zu sein, dass der vergleichsweise billige Torf dort noch lange nicht abgelöst werden dürfte.
Auch Landwirtschaft müsse umdenken
Um die Kohlendioxid-Emissionen aus den entwässerten Mooren zu reduzieren müsste allerdings auch die Landwirtschaft stärker in den Blick der Politik rücken, erklärt Moorschützer Kulp. Er meint 84 Prozent der CO2-Emissionen aus den niedersächsischen Mooren sei Folge der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Flächen. Nur etwa 10 Prozent führt er auf den Torfabbau zurück. "Wir brauchen hier eine extensivere Landnutzung, damit können wir zwei Drittel der Treibhausgase einsparen". Aus Sicht von Hans-Gerhard Kulp sollte auf entwässerten Moorböden gar kein Ackerbau mehr stattfinden.