Trennung am Lebensende: Corona und Seniorenheime
Zu Beginn der Coronakrise begleiteten wir zwei Seniorenpaare. Um ihre Ehefrauen weiter sehen zu können, zogen die Männer freiwillig zu ihnen ins Altenheim. Wie geht es den Paaren heute?
Am 16. März treffen wir im Hamburger Seniorenzentrum St. Markus zum ersten Mal auf zwei Seniorenpaare. Es ist der Tag, an dem die Ehemänner Günther Klein (91) und Alex Kienscherf (80) von ihren an Parkinson erkrankten Frauen Ingeburg und Ursula Abschied nehmen müssen. Heimleitung, Pflegekräfte, Bewohner- und Angehörigenvertreter treffen an diesem Tag gemeinsam die Entscheidung, einen Besucherstopp zu erlassen, zum Schutz vor Corona.
Beide Männer fassen daraufhin einen radikalen Entschluss: Sie ziehen als Gäste ebenfalls ins Heim und damit in die Isolation. Die Männer möchten lieber bei ihren Ehefrauen sein und verzichten dafür auf ihr altes Leben. Und das zu einer Zeit, in der in vielen Pflegeheimen in Deutschland Menschen an Covid-19 sterben. Doch die Unsicherheit in diesen Tagen ist zu zweit besser zu ertragen. "Was kann uns schon passieren, wir hatten ein schönes Leben", sagt Alex Kienscherf zum Abschied.
Eine Geschichte über Liebe in Zeiten von Corona
Panorama-Autorin Anne Ruprecht hat beide Männer über Monate begleitet, einer der beiden hat ihr Leben hinter verschlossenen Mauern für sie mit der Kamera dokumentiert. Es ist eine bewegende Geschichte darüber, wie Corona gerade diejenigen, die alt und verletzlich sind, am härtesten trifft - diejenigen, die wir am meisten schützen sollten. Es ist eine Geschichte über Trennung und Isolation, aber auch eine Geschichte über Liebe und Verbundenheit.
Günter Klein, der sich anfangs eingesperrt fühlte und hoffte, Corona ginge ganz schnell vorbei, hat sich nach einigen Wochen zwar eingelebt im Heim. Doch Corona, der Umzug, die Sorge um seine Frau, sind am Ende zu viel für ihn. Er erleidet einen Herzinfarkt und kommt ins Krankenhaus. Nach ein paar Tagen erholt er sich wieder und kümmert sich im Seniorenheim weiter um seine kranke Frau. Klein erzählt: "Meine Frau sagte: 'Und das möchte ich mit dir zusammen auch weiterhin erleben dürfen.' Und wer solche schönen Worte seiner schwerkranken Frau, hört, der kann nur ein glücklicher Mensch sein. Und das bin ich."
Die Männer bleiben weiter bei ihren Frauen
Auch Alex Kienscherf erlebt in diesen Tagen, wie zerbrechlich das Leben ist. Er beobachtet besorgt, dass seine Frau Ursula nun oft müde ist. Das Trinken wird mühsamer, sie vergisst allmählich das Schlucken. Er ist dankbar, dass er bei ihr sein kann. Dank der neuen Hamburger Besuchsregelungen ist die Welt für die Kienscherfs in diesen Tagen zumindest etwas größer geworden - ein Spaziergang im Park ist nun möglich, eine Runde um den Weiher, mal eine Stunde Freiheit kosten.
Wie lange sie sich noch über diese neuen Freiheiten freuen können, bleibt ungewiss. Die Corona-Zahlen steigen wieder. Das Seniorenheim hat ihnen in jedem Fall zugesichert: Solange sie ihre Gästezimmer ohnehin nicht vermieten können, können die Männer gerne bleiben.