Kundus-Angriff: Menschenrechtsgericht entlastet Deutschland
Die Ermittlungen der deutschen Justiz zu einem Luftangriff im afghanischen Kundus 2009 mit vielen Toten sind nach Ansicht des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausreichend gewesen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die deutsche Justiz im Verfahren um den Nato-Luftangriff im afghanischen Kundus entlastet. In dem Fall, über den auch Panorama berichtete, wurden mehr als 100 Menschen bei einem Luftangriff auf entführte Tanklaster getötet, darunter dutzende Zivilisten. Abdul Hanan, der seine acht- und zwölfjährigen Söhne verlor, warf Deutschland Menschenrechtsverletzungen und mangelnde juristische Aufarbeitung vor.
(Archiv-Beitrag vom 21.01.2010)
Grund für den Angriff damals war die Kaperung zweier Tanklaster durch radikalislamische Taliban in der Nähe des deutschen Feldlagers in der nordafghanischen Provinz Kundus. Bundeswehr-Oberst Georg Klein ordnete die Bombardierung an, da er befürchtete, dass die Tanklaster als rollende Bomben gegen das Feldlager und die Bundeswehr-Soldaten eingesetzt werden könnten.
"Humanitäre Hilfeleistung" statt Entschädigung
Die Ermittlungen der deutschen Justiz zu dem Angriff seien ausreichend gewesen und Deutschland habe nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, urteilten die Straßburger Richter. Bereits zuvor wurden Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen Oberst Klein eingestellt, da sich nicht ausreichend Anhaltspunkte für einen Verdacht ergeben hatten. Die Hinterbliebenen scheiterten mit Entschädigungsklagen vor deutschen Gerichten, die Bundesregierung hatte den betroffenen Familien nach eigenen Angaben aber eine "humanitäre Hilfeleistung" in Höhe von je 5.000 Dollar gezahlt.
Gespaltene Reaktionen auf das Urteil
Franz Josef Jung (CDU) hat das Urteil begrüßt. Jung war Bundesverteidigungsminister zum Zeitpunkt des Angriffs. Zwar seien in jener Nacht "leider Gottes Opfer zu beklagen" gewesen, die Entscheidung für den Angriff sei jedoch aus damaliger Sicht begründet gewesen.
Der Berliner Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck hob hervor, dass es nie eine deutsche Entschuldigung für den Luftangriff gegeben habe. Die beiden Vertreterinnen der Bundesrepublik hätten zwar in der Anhörung des Falls vor der Großen Kammer des EGMR im vergangenen Jahr ihr Bedauern über die zivilen Opfer zum Ausdruck gebracht. "Es wäre aber schön gewesen, wenn das auch direkt an Hanan und andere Dorfbewohner kommuniziert worden wäre", sagte Kaleck. "Das hätte eine große Wirkung gehabt."